Feministischer Streik: Mindestlohn, Lohngleichheit und mehr Rente

Am 14. Juni gehen die Frauen und solidarische Personen in der Schweiz erneut für mehr Gleichstellung auf die Strasse. Gewerkschaften, linke Parteien und Kollektive rufen zum feministischen Streik auf und fordern mehr Lohn, Zeit und Respekt. «direkt» begleitet diesen historischen Tag mit drei Beiträgen zu den Hauptforderungen. Teil eins: Der Lohn.

Foto: Keystone (Anthony Anex)

Frauen erhalten immer noch weniger Lohn als Männer. Auch an ihrer Rentensituation hat sich kaum etwas geändert. Im Gegenteil, in der Schweiz nimmt die Lohndiskriminierung sogar noch zu. Für den feministischen Streik wird daher die finanzielle und gesellschaftliche Aufwertung der von Frauen geleisteten Arbeit gefordert.

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Lohngleichheit: Diskrepanz nimmt weiter zu

2021 verdienten Frauen in der Schweiz 17,7 Prozent weniger als Männer. Die Schweiz belegt damit den drittletzten Rang im europaweiten Vergleich. Und nicht genug: Der geschlechterspezifische Lohnunterschied hat seit 2012 sogar um 0,3 Prozent zugenommen. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Lohngleichheit unter den Forderungen rund um den 14. Juni ein Evergreen ist.

Gemäss dem Eidgenössischen Büro für Gleichstellung ist rund die Hälfte des Lohnunterschieds zwischen Frauen und Männern nicht erklärbar. Die strukturelle Benachteiligung der Frauen zeigt sich auch in den erklärbaren Faktoren: Berufliche Stellung, Dienstjahre oder Ausbildungsniveau sind häufig davon abhängig, wer die Sorgearbeit in der Familie übernimmt. Die unbezahlte Arbeit wird immer noch grösstenteils von Frauen erledigt. Das führt dazu, dass sie oft in schlechter bezahlten Berufen bleiben und unfreiwillig Teilzeit arbeiten. Damit haben Frauen auch weniger gute Chancen, sich beruflich zu entwickeln.

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Höhere Löhne und flächendeckende Mindestlöhne

Lohngleichheit allein reicht nicht, um die Situation der Frauen massgeblich zu verbessern. Am feministischen Streik wird deshalb auch eine gezielte Lohnerhöhung in Branchen mit tiefen und mittleren Löhnen sowie hohem Frauenanteil gefordert. Dazu gehören flächendeckende monatliche Mindestlöhne von 4’500 Franken für alle und von 5’000 Franken bei abgeschlossener Berufslehre.

In Branchen mit hohem Frauenanteil werden oft tiefere Löhne bezahlt. Gerade hier können Mindestlöhne Abhilfe schaffen. Gemäss Michael Siegenthaler, Leiter des Forschungsbereichs Arbeitsmarkt bei der Konjunkturforschungsstelle KOF, erhöhen Mindestlöhne die gesamte Lohnsumme und tragen zu mehr Lohngleichheit bei. Die Vorurteile, Mindestlöhne würden zu Stellenstreichungen führen und hätten damit negative Effekte auf den Arbeitsmarkt, werden durch die Wirtschaftswissenschaft kaum bestätigt. Gegenüber «direkt» betont Siegenthaler im Interview: «Mittlerweile gibt es hunderte Studien zu den Beschäftigungseffekten von Mindestlöhnen in verschiedenen Kontexten. Die überwiegende Mehrheit der Forschenden ist sich einig, dass Mindestlöhne keine Jobkiller sind.»

Am 18. Juni stehen in Zürich und Winterthur Abstimmungen zu städtischen Mindestlöhnen an. Durch den Mindestlohn-Kompromiss in der Stadt Zürich sollen 17’000 Menschen, die heute weniger als 4000 Franken pro Monat verdienen, neu einen Mindestlohn von 23.90 Franken pro Stunde erhalten. Mehr als 60 Prozent dieser Angestellten sind älter als 30 Jahre und weiblich. Der Zürcher Kompromiss wurde im Gemeinderat von SP, Mitte/EVP, Grünen und AL unterstützt. Auch Caritas Zürich, der Kaufmännischen Verband Zürich und zahlreichen Zürcher Unternehmer:innen unterstützen die Vorlage.

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Laufender Abbau bei den Renten

Weniger Lohn führt zu einer tieferen Rente. Die Rentensituation der Frauen hat sich seit dem letzten Streik 2019 kaum verbessert. Dies, obschon bürgerliche Politiker:innen bei der Erhöhung des Frauenrentenalters infolge der AHV21 versprochen haben, die Situation der Frauen mit der Pensionskassen-Reform anzugehen.  Doch die ausgearbeitete Vorlage verbessert die Rentensituation für Personen mit tiefen Einkommen oder Angestellten in Teilzeitpensen nicht. Das betrifft vor allem Frauen, die deutlich häufiger in Tieflohnbranchen und Teilzeit arbeiten als Männer. Hinzu kommen Erwerbsunterbrüche wegen Kinderbetreuung, die in der zweiten Säule – im Unterschied zur ersten Säule – nicht durch Erziehungs- und Betreuungsgutschriften kompensiert werden. Genau hier hätten Rentenzuschläge die finanzielle Lage von Menschen mit tieferen Löhnen deutlich verbessern sollen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Vorlage führt zu Rentenkürzungen. Gewerkschaften und SP haben deshalb dagegen das Referendum ergriffen.

Für den 14. Juni werden existenzsichernde Renten ohne weitere Erhöhung des Rentenalters gefordert. Diese Forderungen stossen leider bei der bürgerlichen Mehrheit im Bundeshaus nicht nur bei der Pensionskassen-Vorlage auf taube Ohren, sondern auch, wenn es um die Stärkung der AHV geht. Das Parlament will von einem Teuerungsausgleich bei der AHV nichts wissen, die Initiative für eine 13. AHV-Rente lehnt die bürgerliche Mehrheit ebenfalls ab. Dies obschon vor allem die Stärkung der AHV die Situation bei den Frauenrenten verbessern kann. Denn eine von vier Frauen haben keine zweite Säule.

Der Supergong kam aber diese Woche: Der Nationalrat hat die Renteninitiative, die eine Erhöhung des Rentenalters fordert, zur Ausarbeitung eines Gegenvorschlags in die Kommission zurückgeschickt. Dies, obschon Bundesrat, Ständerat und die vorberatende Kommission die Initiative eigentlich ablehnen.

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