Nationalratskommission will Waffenexporte an kriegführende Länder ermöglichen

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat in der Schweiz eine erneute Diskussion über das Kriegsmaterialgesetz ins Rollen gebracht. Nun hat nach dem Ständerat auch die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats einer Motion zugestimmt, von der einzig die Rüstungsindustrie profitiert. Folgt der Nationalrat der Kommission, hebelt das Parlament den Gegenvorschlag zur Korrektur-Initiative aus.

Mowag Piranha der Schweizer Armee. Foto: Keystone (Laurent Gillieron)

Die Rüstungslobby befindet sich auf der Zielgeraden: Jetzt muss nur noch der Nationalrat der Motion zur Änderung des Kriegsmaterialgesetzes zustimmen – damit wäre der Gegenvorschlag zur Initiative gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer (Korrektur-Initiative) etwas mehr als ein Jahr nach seiner Einführung wieder ausgehebelt. Kommt die Motion durch, kann der Bundesrat in «ausserordentlichen Umständen» oder zur «Wahrung der aussen- oder der sicherheitspolitischen Interessen des Landes» nun auch Kriegsmaterial an Länder liefern, die in bewaffnete Konflikte und Bürgerkriege verwickelt sind.

«Carte Blanche» für Bundesrat

Der Bundesrat erhält damit eine General-Ausnahmeklausel zum Export von Waffen aus der Schweiz. Die normalen Regeln des Kriegsmaterialgesetzes kann er so umgehen. Wann eine solche Ausnahmeklausel zur Anwendung kommt, konnte der «Tages-Anzeiger» 2020 dank einem brisanten Dokument aus dem Eidgenössischen Wirtschafts-Departement (WBF) von Guy Parmelin aufdecken. Der Inhalt des Dokuments: Der Bundesrat könnte in Zukunft Waffenexporte in politisch heikle Länder bewilligen, wenn wichtige Schweizer Rüstungsunternehmen von «konstant sinkendem Umsatz mit drohendem Konkurs» bedroht wären oder wenn sie relevante Produktionskapazitäten ins Ausland zu verschieben drohen. Kurz zusammengefasst: Wenn ein privates Rüstungsunternehmen wirtschaftliche Probleme hat oder vorspielt, könnte der Bundesrat mit der Bewilligung eines Exports beispielsweise nach Saudi-Arabien dem Unternehmen wieder auf die Sprünge helfen. Ebenfalls brisant: Das Dokument verschwand nach wenigen Stunden wieder von der Website des Departements.

Russischer Angriffskrieg auf die Ukraine als Vorwand

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die erneute Diskussion rund um Waffenexporte ausgelöst. Die Schweiz wurde international für ihre strikte Haltung in Sachen Ausfuhr von Rüstungsgütern kritisiert. Das Parlament suchte daraufhin nach Möglichkeiten, die Wiederausfuhr von Schweizer Kriegsmaterial aus anderen Ländern in die Ukraine zu ermöglichen. Auch die SP bot Hand für eine konstruktive Lösung.

Doch es kam anders: Der jetzige Vorschlag bringt der Ukraine nichts. Die Motion will eine Änderung in einem Gesetzesartikel, der nichts mit der Wiederausfuhr von Waffen zu tun hat. Zudem wäre eine Wiederausfuhr neutralitätsrechtlich nach wie vor problematisch, wie der Bundesrat immer betont hat. Der Schweiz wäre es weiterhin völkerrechtlich nicht erlaubt, der Ukraine direkt Kriegsmaterial zu liefern, ohne das Gleichbehandlungsgebot zu verletzten. Sprich: Sie müsste auch Waffen nach Russland exportieren. Von einer solchen Lockerung würde daher einzig die Rüstungsindustrie profitieren, die dadurch auch Waffen an Länder liefern könnte, in denen die die Menschenrechte nicht eingehalten werden.

Einreichung der Korrektur-Initiative 2019. Foto: Keystone (Peter Schneider)

Linke droht mit Referendum

Der Nationalrat wird voraussichtlich in der Wintersession über die vorgeschlagene Änderung des Kriegsmaterialgesetzes abstimmen. Wenn er der Motion zustimmt und damit die erst kürzlich in Kraft getretenen Änderungen des Gegenvorschlags zur Korrektur-Initiative aushebelt, dürfte dies die Rüstungsgegner:innen auf den Plan rufen. Sie haben bereits angekündet, bei einer Annahme der Vorlage das Referendum zu prüfen. So hätte schliesslich die Bevölkerung das letzte Wort.

 

 

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein