Das Problem betrifft nicht nur Freiburg: Immer mehr Menschen arbeiten, aber stehen zum Monatsende mit leeren Taschen da. Das ist eine erschreckende Tatsache, wie Joël Gavin betont: «In einem Land wie der Schweiz ist es nicht akzeptabel, dass es Working Poor gibt.»
Die Ursache dieses besorgniserregenden Trends ist bekannt: Die zwei grössten Ausgaben der Haushalte – Miete und Krankenkassenprämien – steigen seit 20 Jahren kontinuierlich an, während die Reallöhne stagnieren.
Effektiver Kampf gegen Armut
Konkret verlangt die kantonale Initiative in Freiburg die Einführung eines Mindestlohns von 23 CHF pro Stunde, was etwa 4000 Franken pro Monat entspricht. Der Mindestlohn soll für alle Erwerbstätigen im Kanton Freiburg gelten. Ausgenommen sind Lernende, Minderjährige, Praktikant:innen und die Landwirtschaft. Die meisten Menschen, deren Lebenssituation durch den Mindestlohn verbessert würde, arbeiten in der Gastronomie, im Detailhandel, in Coiffeurgeschäften, Altersheimen, Kinderkrippen oder im Reinigungsbereich.
Die Befürworter:innen der Initiative argumentieren: Wer von seinem Lohn leben kann, ist weniger auf staatliche Hilfe angewiesen. «Dank besseren Löhnen werden viele prekär Beschäftigte in Freiburg nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen sein», sagt Joël Gavin. Die Sozialdienste würden somit entlastet, da sie keine Lohndefizite mehr ausgleichen müssten. Gavin ergänzt: «Wenn ein Unternehmen nicht in der Lage ist, 23 Franken pro Stunde zu zahlen, sollte es seine Art des Wirtschaftens hinterfragen.»
Mindestlohn hat demokratische Legitimität
Mehrere Kantone und Gemeinden haben bereits einen Mindestlohn eingeführt. In der lateinischen Schweiz sind dies die Kantone Neuenburg, Jura, Genf und Tessin. In diesen Kantonen wurden bereits positive Effekte auf Beschäftigung und Gleichstellung dokumentiert. Neben dem Kanton Freiburg stehen auch in der Waadt und im Wallis bald Abstimmungen über Mindestlohn-Initiativen an.
Insbesondere rechtsbürgerliche Parteien stellen sich gegen Mindestlöhne. Die rechte Mehrheit im eidgenössischen Parlament hat sogar einer Motion zugestimmt, mit der die kantonalen Mindestlöhne ausgehebelt werden sollen. Die Gesamtarbeitsverträge sollen über die kantonalen Bestimmungen gestellt werden, faktisch werden also die Löhne per Gesetz gesenkt.
Sogar SVP-Bundesrat Guy Parmelin kritisierte diesen Versuch: «Per Definition hat ein kantonales Gesetz zum Mindestlohn eine demokratische Legitimität und sollte deshalb mehr Gewicht haben als ein Gesamtarbeitsvertrag mit allgemeiner Verbindlichkeit.» Joël Gavin weist zudem darauf hin, dass sich Mindestlöhne nicht nur für Einzelpersonen lohnen: «Mit höheren Löhnen konsumieren die Leute mehr, was auch mehr Einnahmen für den Staat bedeutet. Die ganze Gesellschaft profitiert von der Einführung eines Mindestlohns.»
