Arbeiten wir bald weniger Stunden pro Woche?

Bessere Vereinbarkeit, mehr Gleichstellung und weniger Stress: Die Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit bei gleichbleibendem Lohn steht bereits in verschiedenen Firmen an der Tagesordnung. In Nachbarländern wird die 4-Tage-Woche in gross angelegten Pilotprojekten getestet. Und die Schweiz? Die SP Frauen starten zur Grossoffensive.

Foto: Keystone (Agence VU/Cyril Zannettacci)

Nur noch vier Tage pro Woche arbeiten? Island, Spanien, Portugal, Grossbritannien oder die USA – immer mehr Länder wagen das Experiment und testen die Arbeitszeitverkürzung bei gleichbleibendem Lohn. Das Ergebnis ist eindeutig: Die Angestellten leiden weniger unter Stress, sind allgemein gesünder und haben mehr Zeit für Familie und Freund:innen. Das steigert ihre Motivation und damit auch die Produktivität. Der Arbeitgeber ist mit der Arbeitszeitverkürzung attraktiv. Das bringt ihm wichtige Vorteile bei der Gewinnung neuer Fachkräfte.

Auch wenn in der Schweiz einige Firmen auf eigene Faust die 4-Tage-Woche einführten, blieben grosse Pilotprojekte und Versuche bisher aus. Das soll sich nun ändern, wenn es nach den SP Frauen geht: Sie lancieren eine Kampagne für eine effektive Arbeitszeitverkürzung. Dabei wollen sie auch die Lancierung einer Volksinitiative prüfen.

Schweizer Politik zögert

Während die Arbeitszeitverkürzung bei unseren Nachbarländern im Trend liegt, bleiben in der Schweiz politische Erfolge in diese Richtung bisher aus. Das Thema findet aber immer stärkeren Eingang in die aktuelle Debatte. Das zeigte auch der feministische Streik vom 14. Juni. 300’000 Menschen demonstrierten in der ganzen Schweiz für mehr Gleichstellung. Eine Arbeitszeitverkürzung gehörte mit zu den Hauptforderungen. Aber: Am gleichen Tag lehnte der Nationalrat die 35-Stunden-Woche deutlich ab. Nur SP und Grüne stimmten geschlossen dafür.

Die bürgerlichen Parteien übersehen dabei die Vorteile für die Volkswirtschaft. Denn die breit angelegten Tests zeigten: Die Produktivität steigt. Zudem könnte eine Arbeitszeitverkürzung einen positiven Effekt auf den Fachkräftemangel haben: Die Vereinbarkeit wird verbessert. Gerade für Frauen, die nach der Geburt eines Kindes unfreiwillig ihren Job aufgeben mussten, wäre die 4-Tage-Woche höchst attraktiv. Dies wiederum hätte einen positiven Effekt auf das Bruttoinlandprodukt.

Auch wenn die bürgerlichen Politiker:innen dem Trend ablehnend begegnen: Ihre Basis sieht das anders. Eine Arbeitszeitverkürzung oder die Einführung der 4-Tage-Woche geniesst auch eine breite Unterstützung bis in bürgerliche Kreise der Bevölkerung: 65 Prozent sind laut einer repräsentativen Sotomo-Umfrage für eine Verkürzung.

Ein feministisches Anliegen

9,8 Milliarden Stunden an unbezahlter Arbeit leisten Menschen in der Schweiz jährlich. Ein Grossteil davon wird von Frauen übernommen. Sie tragen 60 Prozent der unbezahlten Sorgearbeit. Erst letzte Woche veröffentlichte das WEF den «Global Gender Gap Report» (GGGP). Dem Bericht zufolge hinkt die Schweiz punkto Gleichstellung massiv hinterher. Sie rutscht im Vergleich zum Vorjahr sogar um acht Plätze auf Rang 21 ab. Überholt wurde sie unter anderem von Belgien, England, den Philippinen und Südafrika.

Die Verkürzung der Wochenarbeitszeit oder auch die 4-Tage-Woche führen dazu, dass die unbezahlte Arbeit gerechter zwischen Männern und Frauen aufgeteilt wird. Wie wichtig das ist, zeigt auch die EU-Arbeitskräfteerhebung. Frauen arbeiten mehr Teilzeit als Männer – Tendenz steigend. Dies hat auch Auswirkungen auf ihre Rente. Die ist bei den Frauen heute immer noch ein Drittel tiefer als jene der Männer.

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