«direkt»: Paul Rechsteiner, Sie kritisieren die Vorlage scharf. Woher kommt Ihre ablehnende Haltung?
Paul Rechsteiner: Wenn man die Vorlage verstehen will, muss man ihren Hintergrund kennen. Das Projekt stärkt in erster Linie die Krankenkassen. Es stammt aus der Küche des inzwischen abgehalfterten Direktors des Krankenkassenverbandes Curafutura Pius Zängerle. Er brachte es fertig, die frühere CVP-Politikerin Ruth Humbel dafür zu gewinnen, das Projekt im Parlament zu lancieren. Bekanntlich haben die Kassen und Versicherungen dort eine starke Lobby. Die Kantone waren aber lange dagegen, weil sie in Zukunft ihre Beiträge an die Gesundheitskosten – heute sind es 13 Milliarden Franken an die Kassen weiterleiten müssten.
«Für die Bevölkerung ist es eine gefährliche Reform mit starken Nebenwirkungen.»
«direkt»: Warum haben die Kantone nun die Meinung geändert?
Paul Rechsteiner: Sie änderten ihre Haltung, als es ihnen gelang, die Finanzierung der Pflege in der Vorlage unterzubringen und dadurch ihre heutige Verantwortung dafür abzuschieben. Die Kassen und die Kantone haben ihre Interessen gewahrt. Auf der Strecke geblieben sind die Versicherten, die Prämienzahlenden, die Patient:innen und insbesondere die Pflegebedürftigen. Für die Bevölkerung ist es eine gefährliche Reform mit starken Nebenwirkungen.
«direkt»: Was sind konkret Ihre Gründe für das Nein?
Paul Rechsteiner: Ich bin aus drei Gründen gegen die Vorlage. Erstens führt sie zu zusätzlichen Prämienerhöhungen und Kostensteigerungen für die Versicherten. Dies besonders, weil die steigenden Kosten für die Pflege neu schwergewichtig via Prämien finanziert werden, und nicht mehr wie bisher massgeblich durch die Kantone. Im Zusammenhang damit drohen zweitens Verschlechterungen im Pflegebereich, weil sich die Kantone aus der Verantwortung ziehen. Das bedroht die Qualität der Pflege und erhöht den Druck auf die Arbeitsbedingungen. Das ist das Gegenteil von dem, was die Bevölkerung wollte, als sie der Pflegeinitiative zustimmte.
«direkt»: Und der dritte Grund?
Paul Rechsteiner: Drittens werden sich mit der vollständigen Verlagerung der Finanzierung auf die Kassen die Finanzprobleme der Zentrumsspitäler noch verschärfen. Corona hat uns dramatisch gezeigt, wie wichtig eine funktionierende Spitalversorgung für die Bevölkerung ist.
«direkt»: Die Vorlage will aber auch ambulante Leistungen stärken. Ist das nicht eine sinnvolle Massnahme, um die Gesundheitskosten zu senken?
Paul Rechsteiner: Sicher. Aber diese Entwicklung ist schon im Gang. Viele Operationen, die früher stationär erfolgten, werden heute ambulant durchgeführt. Diese Entwicklung hängt nicht davon ab, wer für die Bezahlung der Rechnungen zuständig ist. Gesteuert wird sie durch die Tarife und die Spezialärzt:innen. Der Gesundheitsmarkt ist ein Anbietermarkt. Hier kann man steuern, wenn man will. Insbesondere bei den Spezialist:innen, die für den grossen Teil der Kostenentwicklung massgebend sind. EFAS bringt hier keine Verbesserung.
«Die Zeche bezahlen die Versicherten, die Patient:innen und die Beschäftigten im Gesundheitssektor durch zusätzlichen Druck auf die Arbeitsbedingungen.»
«direkt»: Welchen Einfluss hat EFAS auf die Gesundheitskosten und Prämien der Versicherten?
Paul Rechsteiner: Ich kann nur staunen, wenn der Bundesrat jetzt behauptet, EFAS werde nicht zu höheren Prämien führen. Ich war in der Kommission, die das Geschäft behandelt hat. In den offiziellen Unterlagen der Verwaltung stand klipp und klar, dass allein die Umstellung der Finanzierung in 17 Kantonen zu höheren Prämien führen wird. Das war völlig unbestritten. Dazu kommen die zusätzlichen reformbedingten Kostensteigerungen. Sie sind insbesondere die Folge davon, dass die Pflege in Zukunft stärker von den Versicherten bezahlt werden soll und nicht mehr von den Kantonen. Dass der Bundesrat im Abstimmungskampf den Prämienschub durch EFAS bestreitet, grenzt an Irreführung der Stimmbevölkerung.
«direkt»: Wer profitiert von EFAS?
Paul Rechsteiner: Die Krankenkassen, die mit dem neuen Finanzierungsschlüssel in Zukunft noch viel mächtiger werden als heute. Die Kantone, die sich von den Pflegekosten entlasten. Die Zeche bezahlen die Versicherten, die Patient:innen und die Beschäftigten im Gesundheitssektor durch zusätzlichen Druck auf die Arbeitsbedingungen. EFAS ist wirklich eine schlechte Vorlage. Sie macht die Errungenschaften der heutigen Pflegefinanzierung auf einen Schlag zunichte.