SVP will Asylrecht zerschlagen – Folgen für Geflüchtete sind dramatisch

Die SVP zerlegt das schweizerische Asylrecht und -system Schritt für Schritt. Mit Hilfe der FDP und der Mitte greift sie die Menschenwürde und die Grundrechte von Asylsuchenden frontal an. Das hat schlimme Folgen für bereits vulnerable Menschen.

Foto: Gian Ehrenzeller (Keystone)

Seit dem Rechtsrutsch 2023 wird der SVP bei ihrer blinden Zerstörungswut gegenüber dem Schweizer Asylwesen nur noch selten einen Wunsch abgeschlagen. Das zeigt ein Blick auf die vergangene Herbstsession im eidgenössischen Parlament: Von den 34 im Parlament diskutierten migrationspolitischen Geschäften hat die SVP die Hälfte eingereicht. Dabei geht es keineswegs darum, «Bürokratie» abzubauen oder Geld einzusparen, wie oft behauptet wird. Der SVP geht es um nichts anderes als um den schrittweisen Abbau der Grundrechte der Geflüchteten. Oft erhält sie dabei Unterstützung von der FDP und der Mitte.

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Noch länger keine Perspektive für vorläufig Aufgenommene

Eine Motion von Christoph Riner, Thurgauer SVP-Nationalrat, sowie eine gleichlautende Motion des Thurgauer SVP-Ständerats Jakob Stark fordern die Verlängerung der Frist für ein Härtefallgesuch zugunsten einer Aufenthaltsbewilligung. So sollten vorläufig aufgenommene Personen, Asylsuchende und Sans-Papiers erst nach zehn Jahren überhaupt die Möglichkeit haben, ein solches Gesuch zu stellen.

Bei vorläufig Aufgenommenen handelt es sich um Menschen, die nicht persönlich verfolgt werden, deren Rückweisung ins Herkunftsland aber völkerrechtlich nicht zulässig wäre – in vielen Fällen, weil dort Bürgerkriege oder bewaffnete Konflikte herrschen. Wer seit fünf Jahren in der Schweiz vorläufig aufgenommen ist, kann heute ein Härtefallgesuch stellen.

Der Bundesrat lehnte die Motionen, weil damit «die Integration von Personen erschwert» werde. Denn bereits heute ist klar: Die allermeisten vorläufig aufgenommenen Menschen werden voraussichtlich lange in der Schweiz bleiben müssen. Sie finden aber aufgrund des unsicheren Status fast nie eine langfristige Anstellung und müssen jahrelang in Unsicherheit und ohne Perspektive leben. Familiennachzug ist nur unter praktisch unerfüllbaren Bedingungen möglich. Sie haben zwar Anrecht auf Asylsozialhilfe. Diese ist aber viel tiefer als die ohnehin äusserst knapp berechnete Sozialhilfe.

Trotzdem hat der Nationalrat dieser Motion zugestimmt.

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Weniger Bewegungsfreiheit, mehr Bürokratie

SVP-Nationalrat Riner wollte zudem die bereits sehr eingeschränkte Bewegungsfreiheit von Asylsuchenden weiter beschränken, die in einem Strafverfahren verwickelt sind. Das ist aber kaum verfassungskonform, wie der Bundesrat in seiner Stellungnahme schreibt. Die Kantone, die für solche Strafverfahren zuständig sind, haben zudem mit der aktuellen Gesetzgebung schon ausreichend Spielraum hierzu. Gemäss Asylexperte Marc Baumgartner schafft die SVP mit dieser Motion bloss mehr Bürokratie und mehr Kosten für die Bundesverwaltung.

Auch hat das Parlament 2021 bereits beschlossen, die Reisefreiheit von Schutzsuchenden, vorläufig Aufgenommenen und Asylsuchenden stark einzuschränken. Reisen ins Ausland sind nun grundsätzlich verboten und nur noch in Ausnahmefällen erlaubt, wobei diese Kriterien in der Realität extrem schwer zu erreichen sind. Ausserdem dürfen Personen mit vorläufiger Aufnahme seither auch nicht mehr in ihr Heimatland reisen.

Für ukrainische Geflüchtete gilt neu ebenfalls eine eingeschränkte Reisefreiheit: Sie dürfen pro Halbjahr nur noch 15 Tage in ihre Heimat zurückreisen. Dies, obschon solche Reisen sinnvoll wären: «Zurückgebliebene Freunde und Familienangehörige oder die eigene Wohnung zu besuchen, ist für alle Geflüchteten wichtig», hält die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) fest. Zudem könne dies eine freiwillige Rückkehr begünstigen.

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Feindbild Status S

In der Wintersession 2024 stimmte das Parlament einer Motion von SVP-Ständerätin Esther Friedli zu, die den Schutzstatus S für Geflüchtete aus der Ukraine stark einschränken wollte. Der Bundesrat hat im vergangenen Oktober die Regionen der Ukraine neu eingestuft: In sieben Regionen gilt die Rückkehr nun als «zumutbar». Wie die SFH aber betont, wurden vor kurzer Zeit in all diesen Regionen russische Luft- und Drohnenangriffe verzeichnet.

Während der Herbstsession startete die SVP einen erneuten Versuch, den S-Status ganz abzuschaffen. Dieser wurde im Nationalrat aber abgewehrt. Trotzdem zeigt sich hier eine klare Verschiebung: Während Asylsuchende aus Ländern wie Afghanistan, Syrien oder Nordafrika mit rassistischen und antimuslimischen Ressentiments ohnehin einen sehr schweren Stand in der Schweiz haben, genossen die Ukrainer:innen, die vor dem russischen Angriffskrieg flüchteten, mehr Solidarität auch bei rechten Politiker:innen und deren Wähler:innen. Nun, drei Jahre später, löst sich diese Solidarität langsam in Luft auf.

Angriffe erfolgreich abgewehrt

Nicht immer gelang es der SVP, ihre menschenverachtenden Vorstösse durchzuboxen. Zwei Beispiele:

  • Familienzusammenführungen weiterhin möglich: Vor einem Jahr startete die SVP den Versuch die Familienzusammenführungen für Personen mit vorläufiger Aufnahme zu verbieten. Sie verbreitete dabei immer wieder das falsche Narrativ, dass sich vorläufig Aufgenommene illegal in der Schweiz befänden und deshalb nicht auch noch ihre Familien in die Schweiz bringen dürften. Das Anliegen fand im Nationalrat eine Mehrheit. Dank der Ablehnung des Ständerats ist die Forderung nun aber wieder vom Tisch. Diesem Nein vorausgegangen ist ein grosser Aufschrei der Bevölkerung: Innert weniger Stunden unterzeichneten sage und schreibe 120’000 Menschen einen Aufruf der SP für die Beibehaltung der Familienzusammenführungen.Übrigens: Dass es der SVP mit dieser Forderung einzig um Hetze ging, zeigen die Zahlen. Die Hürden für Familienzusammenführungen für vorläufig Aufgenommene sind bereits jetzt dermassen hoch, dass pro Jahr gerade mal rund 100 Gesuche bewilligt werden.
  • Asyl für afghanische Frauen: Beim zweiten Vorstoss ging es um das Recht auf Asyl für afghanische Frauen. Diese haben mit dem Putsch der Taliban 2021 praktisch sämtliche Rechte in ihrem Heimatland verloren. Seit Sommer 2023 erhalten die meisten Afghaninnen aufgrund dieser Unterdrückung und Gefahr an Leib und Leben in der Schweiz Asyl. Das erzürnte die Herren der SVP und der FDP. Sie forderten, dass das SEM seine Praxis wieder ändere, scheiterten aber damit schliesslich im Nationalrat.

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