Immer mehr Regierungschefs kritisieren die israelischen Kriegsverbrechen in Gaza scharf und fordern konkrete Massnahmen wie etwa die Anerkennung des Staates Palästina. Währenddessen drückt sich Aussenminister Ignazio Cassis weiterhin um klare Worte.
«Wir haben kein Recht, Israel die ganze Last aufzuerlegen», sagte der Bundesrat Anfang Juni gegenüber RTS. Im Verlauf des Interviews betonte er mehrfach, die Schuld für den Konflikt und die katastrophale humanitäre Lage in Gaza liege bei «beiden Seiten». Mit seinem passiven Verhalten erntet Cassis immer mehr Kritik.
EDA-Mitarbeitende schreiben offenen Brief an Cassis
Die SP Schweiz lancierte einen Appell an den Bundesrat und wurde von über 130’000 Unterzeichnenden aus der Zivilgesellschaft unterstützt.
Die Swiss Humanity Initiative hat gemeinsam mit Amnesty International, Palestine Solidarity Switzerland und der Jüdischen Stimme ebenfalls einen offenen Brief an Aussenminister Cassis verfasst. Über 100 Persönlichkeiten aus Politik, Kultur, Wissenschaft und Diplomatie haben ihn unterzeichnet – darunter die alt Bundesrätinnen Ruth Dreifuss und Micheline Calmy-Rey. Ehemalige Diplomat:innen warnten in einem separaten Schreiben vor «ethnischer Säuberung und genozidalen Prozessen» im Gazastreifen.
Kritik kommt inzwischen auch aus dem EDA selbst: Wie der «Blick» berichtete, wandten sich Mitarbeitende des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten direkt an Cassis. Sie fordern von ihrem Chef, «die wahllosen Operationen der israelischen Armee in Gaza und im Westjordanland entschieden zu verurteilen». Ausserdem solle Cassis Massnahmen ergreifen, um «Israel zur Einhaltung seiner Verpflichtungen zu bewegen». Gemäss den Tamedia-Zeitungen haben über 200 Mitarbeitende den Brief unterzeichnet.
Erst kürzlich haben sich zudem 36 Städte an den Bundesrat gerichtet. Die ursprünglichen Verfasserinnen des Appells sind Genf und Lausanne. Angeschlossen haben sich mittlerweile auch Bern, Zürich, Winterthur, Luzern, Biel, St. Gallen und zahlreiche andere.
Forderungen im Parlament eingereicht
Die SP-Fraktion hat im Parlament eine Motion eingereicht, die vom Bundesrat konkrete Massnahmen zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts angesichts der israelischen Verbrechen in Gaza fordert. Dazu gehört, dass die Schweiz die EU-Sanktionen gegen israelische Siedler:innen übernimmt, Produkte aus illegalen Siedlungen kennzeichnet, die militärische Zusammenarbeit mit Israel sowie das Freihandelsabkommen sistiert. Der Bundesrat soll sich zudem klar gegen die von Israel begangenen Verbrechen, für humanitäre Hilfe in Gaza und die Freilassung der Geiseln sowie der politisch Gefangenen einsetzen. SP-Co-Fraktionschef Samuel Bendahan verlangt in einem Interview mit Le Temps zudem, dass Ignazio Cassis das Gaza-Dossier entzogen wird. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter soll es übernehmen, so Bendahan.