«Es braucht jetzt konkrete Massnahmen, um das Personal zu halten»

Die Arbeitsbedingungen in der Pflege sollen verbessert werden. Dies will der Bundesrat mit der Umsetzung der Pflegeinitiative angehen. Bis sich in den Gesundheitseinrichtungen etwas ändern wird, dürfte es aber noch dauern. Derweil spitzt sich die Situation zu. Wir haben bei Yvonne Ribi, Geschäftsführerin vom Berufsverband des Pflegefachpersonals, nachgefragt, was es jetzt braucht.

Yvonne Ribi fordert konkrete Sofortmassnahmen von den Kantonen und den Betrieben zur Verbesserung der Situation des Pflegefachpersonals. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Direkt: Der Bundesrat lässt ein Gesetz zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für das Pflegefachpersonal ausarbeiten. Der Entwurf soll bis im Frühling 2024 stehen. Können Sie eine Einschätzung oder Prognose wagen, wie sich die Gesundheitsversorgung und Situation für das Pflegefachpersonal bis dahin entwickelt?

Yvonne Ribi: Die Situation wird sich weiter verschärfen. Deshalb ist es so wichtig, dass es jetzt konkrete Massnahmen von den Kantonen und den Betrieben gibt, um das Personal zu halten. Zudem müssen die Arbeitsbedingungen jetzt verbessert werden. Sonst spitzt sich die Situation noch weiter zu.

Mit der aktuellen Dreifachbelastung durch Covid-19, Grippewelle und RS-Virus ist das Personal am Anschlag. Viele Pflegefachpersonen sind nicht mehr bereit unter den aktuellen Arbeitsbedingungen zu arbeiten oder fallen wegen Überlastung aus. Es ist davon auszugehen, dass sich die Situation weiter zuspitzen wird. Gibt es Sofortmassnahmen von Seite Kantone, Betriebe und Sozialpartnern, um dies abzufedern?

Yvonne Ribi: Die Spitäler verdienen mit den Patient:innen Geld. Wenn Betten wegen zu wenig Pflegepersonal geschlossen werden, kommt weniger Geld rein. Das verbleibende Personal gerät noch stärker unter Druck. Damit dieser Teufelskreis gestoppt werden kann, müssen die Kantone jetzt handeln. Flächendeckende Massnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen blieben aber bisher aus.

Einige Betriebe haben Massnahmen zur Verbesserung der Situation des Pflegepersonals ergriffen. Dies aber vor allem, um sich einen Vorteil bei der Personalgewinnung zu verschaffen. Das strukturelle Problem ist damit aber nicht gelöst: Es gibt zu wenig Pflegefachpersonal. Auch wenn die Kantone jetzt zum Teil Ausbildungsoffensiven gestartet haben, wird es noch lange dauern, bis wir diese Lücke geschlossen haben.

Das Gesundheitspersonal versucht alles, um eine qualitativ hochwertige Versorgung sicher zu stellen. Wenn aber Betten geschlossen werden, weil zu wenig Personal vorhanden ist, müssen bei den Eingriffen Prioritäten gesetzt werden.<span class="su-quote-cite">Yvonne Ribi</span>

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Massnahmen, die jetzt für das Pflegefachpersonal und eine qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung ergriffen werden müssen?

Yvonne Ribi: Übergeordnet braucht es in drei Bereichen Massnahmen: Bei der Zeit, beim Geld und bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dazu gehören Lohnerhöhungen oder Arbeitszeitreduktion bei gleichem Lohn. Auch Zulagen bei kurzfristiger Dienstplanänderung sind wichtig. Wir fordern mehr Erholungszeit in Form von Ferien sowie eine tatsächliche Erfassung der geleisteten Arbeitszeit. Viele Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner sind zudem auf familienergänzende Kinderbetreuung angewiesen. Dafür sollen sie Zuschüsse erhalten.

Im Moment sind in den Spitälern Betten still gelegt wegen Personalmangel. Dies hat Folgen für die Patient:innen. Müssen wir damit rechnen, dass eine Versorgung nicht mehr in jedem Fall gewährleistet werden kann?

Yvonne Ribi: Das Gesundheitspersonal versucht alles, um eine qualitativ hochwertige Versorgung sicher zu stellen. Wenn aber Betten geschlossen werden, weil zu wenig Personal vorhanden ist, müssen bei den Eingriffen Prioritäten gesetzt werden. So muss zum Beispiel ein Patient, der einen geplanten Eingriff wie eine Gelenksprothese hat, länger darauf warten. Dies verursacht Leiden und auch Mehrkosten, weil sich die gesundheitliche Situation verschlechtern kann. Für Betroffene ist das sehr unangenehm.

Bereits heute ist es so, dass manche Eingriffe weit weg vom Wohnort durchgeführt werden müssen, weil die Spitäler im Wohnkanton keine Kapazitäten mehr haben. Auch in den Pflegeheimen kann das passieren. Die weite Distanz zur Familie ist für alle sehr belastend.

2 Kommentare

  1. Vielleicht auch Personal aus anderen Ländern ernst nehmen und nicht ständig schikanieren und abstufen. Jemand der 20 Jahre im Ausland gearbeitet hat in der Pflege wird hier wie ein kleines Kind oder Vollidiot behandelt. “ du musst ja auch den Mülleimer leeren und die Intimsphäre waren.“ Kompetenzen werden abgesprochen oder runter gestuft , Ausbildungen sogar aus Deutschland und Österreich nicht anerkannt als hätte man dort Alliens gepflegt .
    Und eine schweizer FaGe kann Ausbildung in einem Jahr machen weil sie von einem Mann lebt sonst könnte sie das nicht leisten und kann nicht mal einen Stoma versorgen.

  2. Auch weiteres medizinisches Fachpersonal wie Assistenzärzt/innen, biomed. Analytiker/innen HF, usw. müssen bessere Arbeitsbedingungen bekommen. Ohne sie funktioniert es nicht.

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