Schweizer Mieter:innen werden jährlich um 10 Milliarden Franken betrogen

In den letzten 15 Jahren haben Vermieter:innen in der Schweiz die Wohnungspreise stetig erhöht und erzielen heute Renditen von sechs Prozent und mehr. Damit verstossen sie gegen die Bundesverfassung und erzielen Gewinne, die knapp doppelt so hoch sind wie erlaubt. Die Folge: Mieter:innen zahlen jährlich 10 Milliarden Franken zu viel Miete.

Mieten in der Schweiz
(KEYSTONE/Ennio Leanza)

Die Zahlen sind erschreckend: Wer in einer durchschnittlichen Mietwohnung lebt, hat letztes Jahr pro Monat fast 370 Franken zu viel Miete bezahlt. Auf das ganze Jahr hochgerechnet bezahlen Mieter:innen im Schnitt rund 4440 Franken zu viel. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS), die im Auftrag des Mieterinnen- und Mieterverbands erstellt wurde.

Für die gesamte Schweiz heisst das, dass jährlich rund 10 Milliarden Franken in den Taschen der Vermieter:innen verschwinden. In den letzten 16 Jahren haben sie sich damit um 78 Milliarden Franken bereichert. Denn eigentlich wären die Preiserhöhungen gar nicht legal.

Entwicklung der jährlichen Umverteilung zwischen Mieter:innen und Vermieter:innern in CHF Mio. (Quelle: BASS)

In der Bundesverfassung ist festgehalten, «dass Wohnungssuchende für sich und ihre Familie eine angemessene Wohnung zu tragbaren Bedingungen finden können». Das Mietrecht legt zu diesem Zweck fest, dass Vermieter:innen eigentlich nur eine bescheidene Rendite machen dürften. Das Bundesgericht wiederum hat in einem Leiturteil im Jahr 2020 festgehalten, dass die Rendite maximal 2 Prozentpunkte über dem Referenzzinssatz liegen darf. Aktuell sieht das Gesetz also eine Maximal-Rendite von 3,25 Prozent vor.

Durchschnittliche Rendite ist doppelt so hoch wie erlaubt

Die Realität ist allerdings eine andere. Die durchschnittliche Nettorendite im untersuchten Zeitraum betrug gemäss der BASS-Studie satte 6,2 Prozent. Sie liegt also knapp doppelt so hoch, wie es eigentlich erlaubt wäre. Die grossen Immobiliengesellschaften sahnen sogar Renditen im zweistelligen Bereich ab, wie der Mieterinnen- und Mieterverband mitteilt.

Die Mietsteigerungen sind vor allem auf zwei Gründe zurückzuführen, wie die Studie weiter festhält. Zum einen werden bei Mieter:innen-Wechseln oft grundlos die Mieten erhöht – selbst dann, wenn die Kosten gesunken sind. Und zum anderen weigern sich die Vermieter:innen absichtlich, die Senkungen des Referenzzinssatzes an die Mieter:innen weiterzugeben. In fünf von sechs Fällen zocken die Vermieter:innen eine zu hohe Miete ab.

Keine Schranken für Vermieter

Eine Kontrolle, welche diesen massiv überhöhten Mietpreisen den Riegel schieben würde,  gibt es in der Schweiz nicht. Die Verfassung und das Mietrecht werden nicht umgesetzt, Politik und Behörden schauen tatenlos zu.

Die Verantwortung wird an die Mieter:innen abgeschoben, die ihre zu hohe Miete selbst einklagen oder die Weitergabe der Referenzzinssenkungen einfordern müssten. Das ist allerdings kompliziert, kostspielig und birgt das Risiko, einen Konflikt mit den Vermieter:innen einzugehen. Dieser führt im schlechtesten Fall dazu, dass es eine Kündigung gibt. Im Schweizer Mietrecht sitzen die Vermiter:innen am längeren Hebel.

Deshalb haben der Präsident des Mieter:innenverbands Carlo Sommaruga (Ständerat) und Jacqueline Badran (Nationalrat) im vergangenen Jahr eine parlamentarische Initiative eingereicht. Sie fordern eine periodische Revisionspflicht für Vermieter:innen mit mehreren Wohnungen. Deren Renditen sollen regelmässig von einer unabhängigen Stelle überprüft werden. Die Massnahme ist einfach und ähnlich unbürokratisch wie bei der Kontrolle von AHV- und Mehrwertsteuerbeträgen und würde die Mieter:innen direkt vor den zu hohen Mieten schützen.

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