«direkt»: Dieses Jahr war Inflation respektive Teuerung auf einmal ein grosses Thema. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff? Für viele ist das ein sehr abstraktes Konzept. Wie betrifft uns Teuerung?
Daniel Lampart: Teuerung war tatsächlich lange kein Thema mehr. Nur wenige erinnern sich an die 90er-Jahre zurück, wo wir diese Fragen das letzte Mal diskutiert haben. Aber damals wie heute betrifft es uns ganz direkt: Firmen erhöhen die Preise. Deshalb müssen wir mehr für Produkte bezahlen. Wenn die Löhne nicht steigen, heisst das, dass wir auf einmal weniger bekommen.
Was bedeutet das konkret?
Daniel Lampart: Wir werden dieses Jahr eine Teuerung von drei Prozent haben. Oder anders gesagt: Es kostet alles auf einmal drei Prozent mehr. Sobald also jemand keine Lohnerhöhung in derselben Höhe – also rund 200 Franken pro Monat auf den Schweizer Medianlohn – bekommen hat, verdient er oder sie unter dem Strich weniger. Deshalb ist es so wichtig, dass die Löhne mit der Teuerung Schritt halten. Gerade weil die Lebenskosten auch in anderen Bereichen steigen.
Wo sind die grossen Belastungen fürs Haushaltsbudget?
Daniel Lampart: Mieten sind natürlich ein Thema. Aber vor allem auch die Krankenkassenprämien. Im Schnitt werden diese das nächste Jahr um 6,6 Prozent ansteigen. Für einen Familie mit zwei Kindern macht das schnell 1’000 Franken pro Monat. Gerade für Menschen mit kleinem Einkommen ist das ein riesiges Problem.
In vielen Branchen sind die Lohnrunden durch. Was ziehen die Gewerkschaften für eine Bilanz?
Daniel Lampart: An vielen Orten konnten die Löhne tatsächlich erhöht werden. Oft aber nur durch grossen Druck der Gewerkschaften. In der Luftfahrt beispielsweise oder in der Gastronomie. Gerade in Branchen mit tiefen Löhnen ist das extrem wichtig. Über alle Branchen gesehen ist die Teuerung grösser als die Lohnerhöhungen. Das ist schlecht.
Wo liegen die Probleme?
Daniel Lampart: Sehr problematisch finde ich das Verhalten der beiden Detailhändler-Riesen Coop und Migros. Beide scheinen, wie viele andere Arbeitgeber auch, zu vergessen, dass ihre Gewinne durch die zehntausende von Angestellten erarbeitet werden. Verkäufer:innen an der Kasse, den Personen im Lager oder in den Grossbäckereien, als Fahrer:innen in den Lastwagen und so weiter. Ihnen beim Lohn nicht die volle Teuerung auszugleichen ist beschämend.
Was braucht es, um von einem Lohn leben zu können?
Daniel Lampart: In einem Land, das so reich ist wie die Schweiz, ist das eigentlich die falsche Frage. Es wird in der Schweiz unsagbar viel Geld verdient. Soviel Geld, dass alle einen Lohn haben könnten, von dem man richtig gut Leben kann. Es ist eine Frage der Verteilung. Die Gewerkschaften sind klar der Meinung, dass es keine Löhne und 4’500 Franken geben sollte. Und wenn jemand eine Lehre gemacht hat, sollte der Lohn nicht unter 5’000 Franken im Monat sein.
Es gibt ja nicht nur Löhne. Viele Menschen in der Schweiz leben von ihrer Rente. Was bedeutet die Teuerung für sie?
Daniel Lampart: Auch hier ist der Teuerungsausgleich wichtig. Die bürgerliche Mehrheit im Parlament ist auch hier auf die Bremse getreten. Wir mussten ordentlich Druck machen, dass es zu einem vollen Teuerungsausgleich bei der AHV kommt. Leider dauert es noch bis zum Sommer, bis dieses Geld kommt. Die zweite Säule kennt keinen Ausgleichsmechanismus. Gibt es eine Teuerung, werden die Renten entwertet. Unsere Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente kommt deshalb genau im richtigen Moment. Es ist der einzige Vorschlag, der im Moment auf dem Tisch liegt, der dafür sorgt, dass der Rentenverlust bei der breiten Gruppe der Renter:innen ausgeglichen wird.
Mit der Initiative zur 13. AHV-Rente blicken Sie bereits in die Zukunft. Was wünschen Sie sich fürs neue Jahr?
Daniel Lampart: Das Geld, das in der Schweiz verdient wird, soll endlich bei den Angestellten hier ankommen. Auch 2023 rechnen wir wieder mit einer Teuerung von rund 2,5 Prozent. Das heisst es braucht einen Schub bei den Löhnen. Es braucht aber auch eine 13. AHV-Rente. Und endlich eine Gegenbewegung bei den Krankenkassen. Die Initiative der SP, welche die Prämienverbilligungen erhöhen will, ist deshalb genau richtig. Bis diese Abstimmungen vors Volk kommen ist 2023 schon vorbei. Aber wir müssen jetzt damit starten, die Bevölkerung von unseren Lösungen zu überzeugen. Und bin zuversichtlich, dass wir das schaffen können.