Mitte-Rechts öffnet Tür und Tor zur Aufweichung des Mutterschutzes

Kurz nach dem feministischen Streik diskutiert der Nationalrat über die Einführung einer Elternzeit. Was gut klingt, könnte mit einer Kürzung des Mutterschaftsschutzes einhergehen – und somit zur Farce werden.

Foto: William Fortunato (Pexels)

In der Schweiz haben Mütter nach der Geburt eines Kindes Anspruch auf eine 14-wöchige Mutterschaftszeit. Der andere Elternteil erhält seit 2021 nicht mehr nur zwei Tage, sondern zwei Wochen frei. Trotz dieser minimalen Verbesserung ist die Schweiz nach wie vor europäisches Schlusslicht sowohl bei der Mutterschaftszeit als auch bei der Zeit für das zweite Elternteil. Eine Elternzeit für beide Elternteile existiert bislang nicht.

Kantone wollen nationale Leitplanken für Elternzeit

Vier Kantone wollen dies nun ändern: Genf, Jura, das Wallis und Tessin verlangen die Einführung einer Elternzeit auf nationaler Ebene. Genf wollte eigentlich bereits eine kantonale Elternzeit einführen, wurde jedoch vom Bund gestoppt. Der Grund: Die Elternzeit-Regelung liegt in der Kompetenz des Bundes.

Die Standesinitiativen aus den Kantonen Wallis und Tessin werden derzeit im Nationalrat beraten. Sie haben eine spezifische Formulierung gewählt: mindestens 20 Wochen Elternzeit, davon mindestens 14 Wochen für die Frau, wobei mindestens 20 Prozent der gesamten Elternzeit dem Mann zugutekommen sollen, also mindestens vier Wochen. Diese Initiativen wurden im Nationalrat von der rechtsbürgerlichen Mehrheit abgelehnt.

Elternzeit auf Kosten der Mütter

Die beiden Standesinitiativen aus dem Jura und Genf wurden in der zuständigen Kommission jedoch angenommen, da sie vage formuliert waren. Die FDP hat diesen Interpretationsspielraum missbraucht – und für Empörung gesorgt: Unterstützt von der Mitte und SVP fordert sie eine Lösung, «die auf eine Flexibilisierung statt auf eine Ausdehnung» der jetzigen Mutterschafts- und Vaterschaftszeit setzt. Oder, wie es der «Tages-Anzeiger» zusammenfasst: «Wenn Väter nach der Geburt ihres Kindes länger als zwei Wochen daheimbleiben wollen, sollen die Mütter dafür früher wieder arbeiten gehen.»

Von einem Ausbau kann beim Elternzeit-Vorschlag der Bürgerlichen also keine Rede sein: Sie wollen diese bei 16 Wochen für beide Elternteile beschränken – flexibel aufteilbar. Für die Mutter soll ein Minimum von acht Wochen Pflicht sein, damit sie sich gesundheitlich von der Geburt erholen kann. Die Mütter müssten also direkt nach dem Wochenbett wieder arbeiten gehen.

Konkret heisst das: Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) missbraucht die Initiativen der beiden Kantone, um den Mutterschutz zu schwächen. Wenn ein Kanton eine längere Elternzeit einführen möchte – in Genf würde diese 24 Wochen betragen – soll das möglich sein.

Das Nachsehen haben somit Frauen in konservativen Kantonen. Auch für Frauen, die es sich nicht leisten können, zusätzliche Ferien oder eine unbezahlte Auszeit zu nehmen, wäre eine solche Regelung ein grosser Schritt zurück. Trotzdem haben FDP, SVP und Mitte geschlossen dafür gestimmt.

Initiative für echte Elternzeit auf dem Weg

Neben den Initiativen der Kantone hat im April eine breite Allianz eine Volksinitiative für eine gerechte Familienzeit lanciert. Die Forderung: Beide Elternteile sollen je 18 Wochen Elternzeit erhalten. Diese paritätische Regelung soll veraltete Rollenbilder aufbrechen und für mehr Gleichstellung zwischen den Geschlechtern sorgen.


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