Seit dem Ausbruch der Pandemie ist die Belastung des Pflegepersonals enorm. Rund 300 Fachkräfte kehren dem Beruf wegen der schlechten Arbeitsbedingungen monatlich den Rücken. Der Personalmangel führt zu hunderten stillgelegten Betten in den durch Corona-Infektionen, Grippe-Welle und RS-Virus stark belasteten Spitälern. Die Folgen: Notwenige Spitalaufenthalte werden verzögert, Patient:innen werden zu früh entlassen und Behandlungsfehler häufen sich.
Massnahmen zur Verhinderung von vermeidbaren Todesfällen
Anfang Woche wendete sich der SBK mit einem Warnruf an den Bundesrat. Die Belastungsgrenze sei überschritten, die Pflegeversorgung gefährdet. In allen Landesteilen und Pflegebereichen fehle es an Gesundheitspersonal. Die Worte des Verbands sind drastisch und deutlich:
Der SBK fordert ein sofortiges Massnahmenpaket zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Dazu gehören Lohnerhöhungen, Arbeitszeitsenkungen, familienergänzende Kinderbereuungsangebote sowie Zulagen bei Notfalleinsätzen. In eine ähnliche Richtung geht heute auch der Bundesrat bei der Umsetzung der zweiten Tranche der Pflegeinitiative.
Langsamer Schritt in die richtige Richtung
Mit dem neuen Bundesgesetz, dessen Ausarbeitung der Bundesrat heute beschlossen hat, sollen Dienstpläne mindestens vier statt wie bisher zwei Wochen im Voraus festgelegt werden. Kurzfristige Anpassungen sollen entschädigt werden. Der Bundesrat verweist darauf, dass für jene Massnahmen, die für spezifische Pflegebereiche oder Institutionen gelten, die Kantone, Betriebe und Sozialpartner zuständig seien. Er will aber die Sozialpartner dazu verpflichten, Gespräche zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen aufzunehmen und Gesamtarbeitsverträge zu verhandeln. So könnten unter anderem höhere Mindestlöhne, eine Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeiten oder ein Krippenangebot vereinbart werden.
Mit der Ausbildungsoffensive und dem geplanten Bundesgesetz kommt der Bundesrat einigen Forderungen des Pflegefachpersonals nach. Es wird allerdings dauern, bis sich für das Personal an der Front effektiv etwas ändern wird. Weitere Pflegefachpersonen werden bis dahin den Beruf wechseln. Für die Verbleibenden und die Patient:innen sind dies keine guten Aussichten.
Wir nehmen zur Kenntnis, dass der Bundesrat den Ernst der Situation erkannt hat und nun mit konkreten Massnahmen die Arbeitsbedingungen der Pflege verbessern will. Wir monieren neben den zu langen Fristen, die Unverbindlichkeit der Massnahmen zur Verbesserung der Finanzierung.
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— SBK ASI (@sbkasi) January 25, 2023
Der Bundesrat wird bis im Sommer 2023 die Kriterien für die Ausbildungsbeiträge des Bundes formulieren und in die Vernehmlassung schicken. Das Gesetz soll voraussichtlich Mitte 2024 in Kraft treten.
Im November 2021 haben 61 Prozent der Stimmbevölkerung der Pflegeinitiative zugestimmt. Mit ihr soll die aktuelle Situation der Pflegefachpersonen verbessert werden, so dass die Pflegequalität und die Patient:innensicherheit gewährleistet werden kann. Dafür muss auch genügend Personal ausgebildet werden. Nur so könne eine hohe Qualität langfristig aufrecht gehalten werden.
Der Bundesrat hat nach Annahme der Initiative beschlossen, diese in zwei Etappen umzusetzen: Zuerst die Ausbildungsoffensive, dann die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. In der Wintersession 2022 hat die vereinigte Bundesversammlung ersterem zugestimmt. Die Umsetzung der zweiten Etappe brauche aber mehr Zeit, schreibt das BAG.
Dem Pflegefachpersonal geht das zu langsam: Bereits im November forderte 700 Pflegende bei einer Aktion auf dem Bundesplatz die Umsetzung von Sofortmassnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen.