«Die Kosten-Nutzen-Rechnung beim Autobahnausbau geht hinten und vorne nicht auf.»

Asti Roesle von der Klima Allianz Schweiz erklärt in ihrer Kolumne, warum ein Nein zum Autobahnausbau am 24. November wichtig ist.

Ende September hat der Bundesrat im Rahmen der Sparmassnahmen ab 2027 den Nachtzügen den Geldhahn zugedreht. Die SBB soll keine Subventionen für internationale Nachtzüge mehr erhalten, obwohl das im CO2-Gesetz ab 2025 vorgesehen ist. Es handelt sich um einen Betrag von maximal 30 Millionen Franken. Das sind weniger als zwei Prozent der Kosten für den geplanten Autobahnausbau. Dieser kostet die Steuerzahlenden satte 4,9 Milliarden Franken.

Eine Frage von Kosten und Nutzen

Der Bund will unter Federführung von SVP-Bundesrat Albert Rösti in den kommenden Jahrzehnten insgesamt 35 Milliarden in den Autobahnausbau stecken. Hinzu kommen weitere Milliarden für den Unterhalt. Ob der Spardruck auch den geplanten Autobahnausbau treffen wird, ist noch unklar. Ein Nein der Stimmbevölkerung zum Ausbauprojekt würde dem Bund die ab 2027 jährlich geplanten Einsparungen von rund vier Milliarden auf jeden Fall erleichtern.

«Gleichzeitig sind die Billetpreise im öffentlichen Verkehr in den letzten Jahrzehnten dreimal schneller gestiegen als die Kosten fürs Autofahren. Das ist ein Missstand, der im Rahmen der Klimaziele des Bundes dringend angepackt werden muss!»

Klar ist: Die Kosten-Nutzen-Rechnung beim Autobahnausbau – auch im Kontext des Spardrucks beim Bund – geht hinten und vorne nicht auf. Erst seit Neuestem ist klar, dass die Kosten des Autoverkehrs wegen veralteter Berechnungsmodelle massiv unterschätzt wurden. Diese Erkenntnisse wollte Bundesrat Rösti vor der Abstimmung im November offenbar unter dem Deckel halten. Die Organisation UmverkehR spricht zu Recht von einem verkehrspolitischen Skandal. Sie hat einen Appell an Herrn Rösti lanciert mit der Forderung: Der Bund muss der Bevölkerung noch vor der Abstimmung im November reinen Wein über das wahre Kosten-Nutzenverhältnis der Autobahnprojekte einschenken. Die NZZ am Sonntag spricht gar von einem «neuen Kostenschock»: Die Kosten betragen mutmasslich 17,3 Milliarden Franken pro Jahr und nicht 10,8 Milliarden. Das sind satte 60 Prozent mehr als angenommen. Zu den Kosten für die Allgemeinheit zählen Gesundheitskosten wegen Lärm und Luftverschmutzung, Unfallkosten oder auch Klimafolgekosten. Diese Kosten für die Allgemeinheit wurden bisher kaum berücksichtigt.

«Je mehr Autobahnen und -spuren, desto mehr Verkehr und Staus. Das wird rund um den Globus empirisch belegt.»

Gleichzeitig sind die Billetpreise im öffentlichen Verkehr in den letzten Jahrzehnten dreimal schneller gestiegen als die Kosten fürs Autofahren. Das ist ein Missstand, der im Rahmen der Klimaziele des Bundes dringend angepackt werden muss!

Noch mehr Stau ist programmiert

Neben der Kosten- und Nutzenfrage müssten folgende Fakten auch Autofahrer:innen davon überzeugen, am 24. November ein Nein in die Urne zu legen. Es gibt ein sogenanntes universales «Grundgesetz der Strassenüberlastung»: Je mehr Autobahnen und -spuren, desto mehr Verkehr und Staus. Das wird rund um den Globus empirisch belegt. Zusätzliche Strassenkapazität ist teuer und bringt nur eine kurzzeitige Verbesserung. Sie hält in der Regel maximal zehn Jahre. Dann haben sich die neuen Strassen soweit aufgefüllt, dass sie wieder verstopft sind. Das Bundesamt für Strassen geht selbst davon aus, dass das Ausbauprojekt in der Romandie bei Le Vengeron und Coppet zusätzlichen Verkehr generieren wird und die Autos nach wenigen Jahren wieder im Stau stehen.

«Wer profitiert also vom Ausbau? Höchstens die Bau- und Infrastrukturunternehmen. Sicher nicht die Allgemeinheit.»

Hinzu kommt: Der zusätzliche Verkehr wird auch in den Gemeinden und Städten zu einer Verkehrsüberlastung führen. Die Strassen lassen sich dort meist nicht mehr verbreitern oder ausbauen.

Wer profitiert also vom Ausbau? Höchstens die Bau- und Infrastrukturunternehmen. Sicher nicht die Allgemeinheit, solange nicht dafür gesorgt wird, dass die externen Kosten des Autofahrens gedeckt werden. Und auf Dauer auch nicht die vom Stau betroffenen Autofahrer:innen.

Missachtung von Klimazielen und Zerstörung von Kulturland

Mit der deutlichen Annahme des Klimaschutzgesetzes im Juni 2023 hat sich die Schweiz verpflichtet, die Emissionen des Verkehrs bis 2040 um 57 Prozent und bis 2050 um 100 Prozent zu reduzieren. Um das zu erreichen, braucht es schnellstmöglich die richtigen Rahmenbedingungen und Anreize. Der Autobahnausbau mit dem damit verbundene Mehrverkehr torpediert diese Zielwerte und wird hoffentlich einen heftigen Widerstand in der Bevölkerung auslösen.

Ein weiteres Problem, das mit dem Autobahnausbau verschärft wird, ist die Zersiedelung und die Zubetonierung von landwirtschaftlich genutztem Kulturland. Mit den neuen Autobahn-Spuren werden tausende Quadratmeter Kulturland zerstört. Zwar verspricht der Bund jeweils Direktersatz für verlorenes Land. Doch solches ist in der notwendigen Grössenordnung oft gar nicht vorhanden. Deshalb engagieren sich auch viele Bäuer:innen gegen die Ausbauprojekte. Zudem hat sich an allen Standorten der Ausbauprojekte lokaler Widerstand formiert.

Bleibt zu hoffen, dass am 24. November eine Mehrheit Nein sagt zu dieser Geldverschwendung, zur Missachtung von Klimazielen, zur Zerstörung von Kulturland, Naturschutzgebieten und der Biodiversität.


Asti Roesle ist Koordinatorin bei der Klima-Allianz Schweiz zum Thema Finanzsektor und Klima. Die ausgebildete Forstingenieurin und Juristin ist seit über 20 Jahren Klimaaktivistin und arbeitete während 14 Jahren in internationalen Umweltprojekten bei Greenpeace.

Die Kolumne ist eine «Carte Blanche» und widerspiegelt die Meinung der Autorin.

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