Asti Roesle: «Extremistisch ist, wer die Folgen des Klimawandels ignoriert.»

Sind Klima-Aktivist:innen «extrem»? Nein, findet Asti Roesle von der Klima Allianz Schweiz. Sie verortet den Extremismus anderswo und warnt eindringlich vor dessen Folgen.

Blockade-Aktionen der «Klimakleber:innen», Besetzungen von Kohlefeldern wie in Lützerath oder Sit-Ins vor Grossbanken polarisieren. Oft werde ich nach meiner Meinung zu diesen Aktionsformen gefragt. Ob ich denke, dass sie eine positive Wirkung haben oder ob sie der Klimabewegung nicht eher schaden würden.

Wie soll ich diese Frage beantworten? Für mich steht dabei nicht die Bewertung der Aktionsformen im Vordergrund. Meiner Ansicht nach widerspiegeln diese Aktionen vielmehr unsere aktuelle Situation: Wir steuern auf klimatische Kipppunkte zu, die potenziell katastrophale Kettenreaktionen auslösen. Gleichzeitig ist unser politisches und wirtschaftliches Umfeld nicht in der Lage, schnell genug für wirksame und nachhaltige Lösungen zu sorgen und so dieser bedrohlichen Entwicklung entgegenzusteuern.

«Für mich ist die Haltung derer extremistisch, die sich den notwendigen politischen und unternehmerischen Massnahmen für die Bekämpfung der Klimaerhitzung und Biodiversitätszerstörung verweigern.»

Für alle, die sich mit den Modellen und Prognosen des Weltklimarats auseinandersetzen, ist die Situation bereits heute kaum mehr auszuhalten. Die Entwicklungen und die Auswirkungen der Klimaerhitzung sowie die Zunahme extremer Wetterereignisse sind äusserst alarmierend.

Verleugnung des Klimawandels löst Protest aus

In meinen Augen ist die Haltung jener extrem, die sich den notwendigen politischen und unternehmerischen Massnahmen verweigern, mit denen sich die Klimaerhitzung und die Zerstörung der Biodiversität bekämpfen lassen. Angesichts der fortschreitenden Klimaerhitzung handelt extrem, wer Massnahmen zur Reduktion der Treibhausgase verhindert und weitermachen will, wie bisher. Diese Haltung ist so extrem, dass Gegenreaktionen nicht ausbleiben können. Aktuell müssen wir zudem davon ausgehen, dass eine neue Fake-News-Welle der Klimaleugner:innen auf uns zurollt. Diese ist online bereits spürbar und ist offensichtlich mit erheblichen Ressourcen finanziert.

Dass informierte und besorgte Menschen mit Blick auf die dramatischen Veränderungen unseres Planeten etwas unternehmen wollen, ist verständlich. Zumal die Mühlen der Politik in der Schweiz langsam mahlen. Deshalb ist es zentral, dass die öffentliche Aufmerksamkeit und die Debatte auf das Thema des wachsenden Klima- und Biodiversitätsnotstands gerichtet werden. Es ist davon auszugehen, dass die Anzahl an aktivistischen Protesten weiter zunehmen wird.

«Diskreditiert werden sollten nicht jene, die sich einmal im Monat auf die Strasse kleben und den Verkehr eine Stunde lang aufhalten, sondern jene, die Milliarden in neue Ölfelder investieren, Fracking-Bohrungen bewilligen oder den Amazonas roden lassen.»

Auch ziviler Ungehorsam ist eine legitime Aktionsform

Ich verspüre grösste Hochachtung vor allen Menschen, die sich unter grossen persönlichen Risiken für das Gemeinwohl einsetzen und sich mit mutigen Aktionsformen exponieren. Es bestehen zahlreiche Möglichkeiten: Es braucht stille und laute Aktivitäten. Dazu gehören das Verfassen von Briefen an die Adresse von Entscheidungsträger:innen, die Teilnahme an Demonstrationen und auch der zivile Ungehorsam – zum Beispiel in Form von Blockaden.

Für mich ist klar: Klima-Aktivist:innen braucht es dringend. Ich bin ihnen für ihren Einsatz dankbar. Erst durch die grossen Demonstrationen der Klimabewegung ab 2018 konnte ein globales Bewusstsein geschaffen werden, dass wir im Schutz von Klima und Biodiversität endlich vorwärts machen müssen. Diskreditiert werden sollten nicht jene, die sich einmal im Monat auf die Strasse kleben und den Verkehr eine Stunde lang aufhalten, sondern jene, die Milliarden in neue Ölfelder investieren, Fracking-Bohrungen bewilligen oder den Amazonas roden lassen.

«Wir müssen nicht nur die unmittelbaren Umweltprobleme angehen. Es geht auch darum, dass wir uns eine nachhaltigere und gerechtere Zukunft für künftige Generationen vorstellen und darauf hinarbeiten.»

Globale und diverse Bewegung für eine Zukunft

Der lokale und gleichzeitig globale Charakter des Klimabewegung macht diese zu einer treibenden Kraft für Veränderungen. Die Klimabewegung kann so Politik und Einstellungen auf internationaler Ebene beeinflussen. Die Bewegung ist grenz- und kulturübergreifend und bringt Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund zusammen. Ihre gemeinsame Sorge: Die Zukunft des Planeten.

Die Klimabewegung verfügt über zahlreiche Berührungspunkte mit anderen Bewegungen, die sich für soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung, Inklusion und Vielfalt, Rechte von Indigenen und wirtschaftliche Gerechtigkeit einsetzen. Wir müssen nicht nur die unmittelbaren Umweltprobleme angehen. Es geht auch darum, dass wir uns eine nachhaltigere und gerechtere Zukunft für künftige Generationen vorstellen und darauf hinarbeiten. Diese langfristige Perspektive erfordert Geduld, Beharrlichkeit und ein Engagement für systemische Veränderungen.

Auch ich werde am Ball bleiben – versprochen! Die Auswahl an verschiedenen Aktivitäten und Möglichkeiten zur Zusammenarbeit ist gross. Sind Sie auch dabei?


Asti Roesle ist Koordinatorin bei der Klima Allianz Schweiz zum Thema Finanzsektor und Klima. Die ausgebildete Forstingenieurin und Juristin ist seit über 20 Jahren Klimaaktivistin und arbeitete während 14 Jahren in internationalen Umweltprojekten bei Greenpeace.

Die Kolumne ist eine «Carte Blanche» und widerspiegelt die Meinung der Autorin. 

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