Asti Roesle: «Ein grundlegendes Umdenken ist notwendig»

Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen: Die Schreckensmeldungen aus allen Teilen der Welt werden immer häufiger. Bei vielen weckt dies Angst vor der Zukunft. Klimaaktivistin Asti Roesle verrät in ihrer Kolumne, warum sie deshalb allen die Lektüre des Romans «Das Ministerium für die Zukunft» von Kim Stanley Robinson empfiehlt.

Bild: zvg

Wie sollen wir die Hoffnung angesichts der Klimakrise nicht verlieren? Antworten darauf liefert der amerikanische Science-Fiction-Autor Kim Stanley Robinson in seinem 2020 veröffentlichten Roman «Das Ministerium für die Zukunft». Trotz den teilweise apokalyptischen Szenarien erfüllt dieses Meisterwerk die Lesenden mit Hoffnung und weckt Tatendrang. Robinson zeichnet eine Zukunftsvision für die Menschheit und unseren Planeten, die zur Pflichtlektüre werden sollte.

Neue supranationale Behörde zur Überwindung der Klimakrise

Die Geschichte beginnt in der unmittelbaren Zukunft mit einer enormen Katastrophe in Indien. Robinson beschreibt dabei eindringlich, vielschichtig und schonungslos, was uns angesichts der voranschreitenden Klimakrise in den nächsten Jahren und Jahrzehnten erwarten könnte. Er zeichnet eine Zeit, in der die gesamte Menschheit überregional mit verheerenden Auswirkungen der Erderhitzung konfrontiert wird. Vieles geht weit über das hinaus, was wir bereits heute kennen: Lokale Dürren, Überschwemmungen, Hitzewellen.

Der rote Faden des Romans bildet das neu geschaffene Ministerium für die Zukunft. Dieses befindet sich in Zürich, was für Ortskundige eine spannende Nähe schafft. Es ist eine supranationale Organisation mit dem Ziel, die Interessen künftiger Generationen zu vertreten und die Menschheit auf einen nachhaltigen Weg zu lenken. Geleitet von der irischen Diplomatin Mary Murphy erprobt die supranationale Behörde neue Wege in der Klimapolitik und entwickelt vielfältige Ansätze zur Überwindung der Klimakrise.

Eine neue Währung

Dabei zeigt der heute 72-jährige Autor interessante – zum Teil abenteuerliche – Konzepte als Lösungsansätze auf. Von Geoenigneering über die Einführung einer weltweiten CO2-Steuer, von «Carbon Coins» und einer Finanzpolitik, die CO₂-Emissionen senken kann, über die Dezentralisierung der Energieerzeugung und tiefgreifenden Agrarreformen bis hin zu neuen Formen der Demokratie und Gouvernanz.

Beim Lesen wird schnell klar: Kim Stanley Robinson ist ein echter Visionär. Es gelingt ihm, komplexe wissenschaftliche Konzepte in eine fesselnde Romanerzählung zu packen. Robinson entführt die Lesenden in eine Welt, die sowohl erschreckend realistisch als auch inspirierend ist.

Sehr interessant ist das Konzept der «Carbon Coins»: Es handelt sich um eine künstliche Währung, die den CO2-Ausstoss reguliert und von den Zentralbanken verwaltet wird. Sie spielen eine ähnliche Rolle wie die traditionellen Währungen, setzen jedoch einen zusätzlichen Schwerpunkt auf der Einhaltung von Umweltzielen und die Bekämpfung der Klimaerhitzung. Dabei erhalten alle Bürger:innen und Unternehmen eine bestimmte Menge an «Carbon Coins», die der Menge an erlaubten Kohlenstoffemissionen entsprechen. Diese Menge wird im Laufe der Zeit reduziert, um die Gesamtemissionen zu senken.

Meisterstück der Climate Fiction

Beim Lesen wird schnell klar: Kim Stanley Robinson ist ein echter Visionär. Es gelingt ihm, komplexe wissenschaftliche Konzepte in eine fesselnde Romanerzählung zu packen. Robinson entführt die Lesenden in eine Welt, die sowohl erschreckend realistisch als auch inspirierend ist. Zugegeben, der mehr als 700 Seiten schwere Wälzer ist keine Gute-Nacht-Lektüre. Oft werden Perspektiven gewechselt. Neben Regierungsbeamt:innen, Wissenschaftler:innen und Aktivist:innen erhalten sogar physikalische Entitäten wie Photonen und künstlicher Intelligenzen eine Stimme. Mit diesen unterschiedlichen Erzählsträngen gelingt Robinson eine wohl noch nie dagewesene Vielschichtigkeit im Genre der Climate Fiction.

Vor allem aber ist Robinsons Roman ein Weckruf: Die Zeit des Zuwartens ist lange vorbei. Wir müssen uns aktiv für eine lebenswerte Zukunft für alle einsetzen.

Weckruf

Zusammengefasst: «Das Ministerium für die Zukunft» ist ein fesselnder und aufrüttelnder Science-Fiction-Roman. Er fordert uns heraus, über unsere Zukunft und über die unseres Planeten nachzudenken. Er zeigt auf, wie wir als Gesellschaft gemeinsam handeln können und generiert mit einer überzeugenden Vision für die Zukunft neben viel Verzweiflung auch Hoffnung. Vor allem aber ist Robinsons Roman ein Weckruf: Die Zeit des Zuwartens ist lange vorbei. Wir müssen uns aktiv für eine lebenswerte Zukunft für alle einsetzen.


Asti Roesle ist Koordinatorin bei der Klima Allianz Schweiz zum Thema Finanzsektor und Klima. Die ausgebildete Forstingenieurin und Juristin ist seit über 20 Jahren Klimaaktivistin und arbeitete während 14 Jahren in internationalen Umweltprojekten bei Greenpeace.

Die Kolumne ist eine «Carte Blanche» und widerspiegelt die Meinung der Autorin. 

3 Kommentare

  1. „Dabei erhalten alle Bürger:innen und Unternehmen eine bestimmte Menge an Carbon Coins“

    Dies wäre meines Erachtens bereits ein Denkfehler. Ein neu geborener Mensch würde dadurch entweder aus dem Nichts zusätzgeschaffene Coins erhalten oder sie würden anderen weg genommen…

    Die Eltern müssten jedoch von ihren Coins an die Kinder abgeben müssen und keine zusätzlichen vom Staat / Gesellschaft dafür erhalten…

    Letztlich sind ja die Eltern „Schuld“ dass ein neuer Ressoucenverbraucher da ist…

  2. „Er fordert uns heraus, über unsere Zukunft und über die unseres Planeten nachzudenken.“

    Nur weigern wir uns vehement anzuerkennen, dass Kinder zeugen primär Ressourcenverbrauch, CO2, globale Erwärmung und Umweltverschmutzung bedeuten…

    Stattdessen fördern wir dieses schädliche Verhalten durch viele Subventionen…

  3. Schön dass uns Asti Roesle genau an Ostern (Tag der Hoffnung) einen spannenden und hoffnungsvollen Sci-Fi-Climat-Roman vorstellt. Ich als sehr langjähriger Science-Fiction-Fan freue mich bereits dieses Buch zu lesen…

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