Spanien: Vorbild bei Bekämpfung von Femiziden

Spanien gilt als Vorbild, wenn es um die Bekämpfung von häuslicher Gewalt und Femiziden geht. Mit gezielten Massnahmen ist es dem Land gelungen, die Morde aufgrund des Geschlechts um rund ein Drittel zu senken.

Demonstrantin mit «Ni una menso»-Schild, übersetzt: «Nicht eine weniger». Foto: SP Schweiz

2023 starben weltweit im Schnitt 140 Frauen pro Tag durch häusliche oder partnerschaftliche Gewalt. Auch in Europa und in der Schweiz ist das Problem weiterhin akut. Doch ein Land sticht positiv hervor: Spanien hat es geschafft, die Zahl der Femizide in den letzten Jahren um rund ein Drittel zu senken – mit schärferen Gesetzen, spezialisierten Gerichten, digitaler Risikoerfassung und präventiver Massnahmen wie Fussfesseleinsatz bei Kontaktverboten oder Lehrplananpassungen.

Spanien definiert Gewalt an Frauen 2004 als Strafbestand

Ein gesellschaftlicher Wendepunkt in der öffentlichen Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischer Gewalt in Spanien war der Fall Ana Orantes: Nachdem die damals 60-Jährige 1997 öffentlich über die Gewalt durch ihren Ex-Mann sprach, wurde sie kurz darauf von ihm ermordet. Die Tat löste landesweite Proteste aus und führte dazu, dass Spanien Gewalt an Frauen als ein strukturelles Problem anerkannte. Seitdem hat Spanien ein umfassendes Massnahmenpaket erarbeitet, das von verschärften Gesetzen über Prävention bis hin zu digitaler Risikoerfassung reicht und international als Vorbild gilt.

Im Jahr 2004 wurde ein Gesetzespaket beschlossen, das vor allem strafrechtliche Reformen beinhaltete. Der Staat definierte Gewalt an Frauen als eigene Straftat und verschärfte die Strafen für Täter. Zusätzlich wurden spezialisierte Gerichte – sogenannte «Spezialkammern», die ausschliesslich Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt verhandeln und mit besonders geschultem Personal besetzt sind, eingerichtet.

Prävention: Risikoanalysen helfen dabei, potenzielle Straftäter früh zu erkennen

Neben strafgesetzlichen Konsequenzen setzt Spanien auch auf Prävention: So sind beispielsweise Themen wie Gleichberechtigung und Gewaltvermeidung seit dem LOMLOE-Bildungsgesetz 2020 fester Bestandteil des Lehrplans – etwa in Fächern wie Ethik und Sozialkunde.

Um Schutzmassnahmen gezielter und frühzeitiger einsetzen zu können, wurde 2007 ein technologisches Instrument eingeführt, das europaweit als innovativ gilt: das Überwachungssystem «VioGén». Die digitale Datenbank bündelt Informationen zu Täterprofilen, Anzeigen und Gefährdungspotenzial. Auf dieser Basis erstellen Behörden Risikoanalysen und handeln entsprechend. Für potenzielle Straftäter werden ausserdem elektronische Fussfesseln zur Überwachung eingesetzt, um Kontaktverbote effektiv zu kontrollieren.

Hilfe für Frauen: Notunterkünfte, psychologische Betreuung und Arbeitsmarktprogramme

Frauen, die von Gewalt betroffen sind, erhalten in Spanien finanzielle Unterstützung, Zugang zu Notunterkünften, psychologische Betreuung und spezielle Arbeitsmarktprogramme. Ziel ist es, ihnen ein selbstbestimmtes Leben ohne Abhängigkeit vom Täter zu ermöglichen.

Ein besonderer Meilenstein in der spanischen Politik war die Reform des Sexualstrafrechts im Jahr 2022. Seitdem gilt das Prinzip «Nur Ja heisst Ja»: Eine sexuelle Handlung ist nur mit ausdrücklicher freiwilliger Zustimmung legal. Ohne ein «Ja» gilt jede sexuelle Handlung als strafbar. Auch in der Schweiz wurde das Sexualstrafrecht vor gut einem Jahr angepasst, allerdings mit einer Regelung, die weniger weit geht als die Spanische. In der Schweiz gilt «Nein heisst Nein», jedoch wurde der Tatbestand der Schockstarre in den Gesetzestext aufgenommen.

Bereits 19 Femizide in der Schweiz

Dass in der Schweiz in der Bekämpfung von geschlechtsspezifischer, sexualisierter und häuslicher Gewalt viel Luft nach oben ist, zeigt die massive Zunahme von Femiziden in diesem Jahr. Seit Januar wurden bereits 19 Frauen von Männern ermordet. Das ist eine Frau alle anderthalb Wochen.

Auf Initiative von Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider haben Bund, Kantone und Gemeinden nun konkrete Präventions- und Schutzmassnahmen definiert, jedoch ohne dass dafür zusätzliche Mittel gesprochen wurden. Dazu gehören mehr Plätze in Notunterkünften, Gewaltprävention in Trennungsphasen durch Aus- und Weiterbildung von Fachpersonen sowie die systematische Analyse von Femiziden. Gleichzeitig hat auch das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement angekündet, die Revision des Opferhilfegesetzes bereits im kommenden Herbst vorzulegen – früher als ursprünglich geplant. Im Juli 2025 forderte Justizminister Beat Jans ausserdem weitere Präventions- und Schutzmassnahmen. Dazu gehört auch die elektronische Überwachung von Tätern als Präventionsmassnahme nach spanischem Vorbild.


Dieser Artikel wurde teilweise von kontrast.at übernommen.


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