Aussenminister Ignazio Cassis hat sich bisher geweigert, Palästina als Staat anzuerkennen – obschon mittlerweile über 80 Prozent der UNO-Mitgliedstaaten die Anerkennung beschlossen haben. Die ablehnende Haltung des Bundesrats wird von der Schweizer Bevölkerung jedoch nicht geteilt, wie eine repräsentative Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo zeigt: 57 Prozent der Befragten unterstützen die Anerkennung des Staats Palästina. Nur ein Drittel ist dagegen und 10 Prozent noch unentschlossen.

Noch deutlicher fällt die Unterstützung der Bevölkerung für die Aufnahme kranker und verletzter Kinder aus Gaza aus: 65 Prozent der Befragten finden es richtig, dass Kinder in der Schweiz Hilfe erhalten. Der Bund plant, insgesamt 20 Kinder aufzunehmen.
Kinder zwischen Leben und Tod in Gaza
Ende Oktober wurden die ersten sieben Kinder eingeflogen. Doch die Gesundheitsdirektor:innen – allesamt SVP-Mitglieder – der grossen Kantone Zürich, Bern und Aargau weigerten sich, die Kinder in ihren Spitälern zu pflegen. Die Sicherheitsbedenken seien zu gross.
Gemäss der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind 19’000 Personen für die Evakuation aus dem Gaza-Streifen registriert, darunter auch 4000 Kinder, deren Zustand als «lebensbedrohend verletzt» oder «erkrankt» beschrieben wird. Aufgrund der gezielten Bombardierung von Spitälern durch die israelische Armee und der Blockade von medizinischen Hilfsgütern an der Grenze können sie nicht angemessen behandelt werden. Die WHO betont zudem, dass die Dunkelziffer an evakuationsbedürftigen Menschen weitaus höher sein dürfte.
Die Haltung des Bundes und der SVP-Gesundheitsdirektor:innen befeuert derweil indirekt die genozidale Rhetorik in pro-israelischen Kreisen. So provozierte die Gesellschaft Schweiz-Israel (GSI) – zu deren Mitgliedern auch Mitte-Nationalrätin Nicole Barandun zählt – auf Instagram mit dem Satz «Möge das Palästinensertum bald der Vergangenheit angehören!». Nach grosser Kritik von verschiedenen Seiten krebste die GSI zurück und löschte die Aussage aus dem Post.
Gute Chancen für die Palästina-Initiative
Die Sotomo-Umfrage zeigt, dass die GIS mit ihren Ansichten in der Minderheit ist. Auch Expert:innen in Friedensforschung sind der Meinung, ein unabhängiger Staat Palästina bilde die Basis für einen gerechten und dauerhaften Frieden im Nahen Osten.
Ein Komitee hat deswegen erst kürzlich eine Volksinitiative zur Anerkennung des Staats Palästina lanciert. Sie dürfte gute Chancen über Parteigrenzen hinweg haben: Gemäss der Umfrage befürworten vier von fünf der SP- und Grünen-Wähler:innen die Anerkennung. Auch die Basis der Mitte ist zur Hälfte dafür, der Rest unentschlossen. Die FDP-Basis ist halbe-halbe dafür und dagegen, SVP-Anhänger:innen jedoch klar dagegen. Ob der Bundesrat die Anliegen der Bevölkerung und seine Verantwortung nun wahrnimmt, wird sich zeigen.