«direkt»: Warum braucht es den Atomwaffenverbotsvertrag?
Jacques Dubochet: Die Gefahr einer atomaren Konfrontation ist sehr real. Gemäss dem «Bulletin oft the Atomic Scientists» sind es 89 Sekunden vor Mitternacht – die Gefahr ist grösser denn je. Mit Trump und Putin ist die Situation extrem gefährlich. Deshalb ist es für uns alle entscheidend, jetzt für ein Atomwaffenverbot einzutreten. Es ist höchste Zeit, dass der Bundesrat diesen Vertrag über das Verbot von Atomwaffen unterschreibt.

«direkt»: Putin hat die atomare Abschreckung auch in Europa wieder auf die Agenda gesetzt. Ist ein Verbot überhaupt denkbar?
Jacques Dubochet: Der Atomwaffenverbotsvertrag ist in Kraft. Aber die Nuklearmächte haben ihn nicht unterzeichnet. Deshalb hat er, wie andere internationale Verträge auch, nur eine relative Wirkung. Aber die Geschichte hat gezeigt, dass internationale Verträge wichtig sind, auch wenn sie nicht die Bedeutung haben, die man sich wünschen würde. Diesen Vertrag zu unterzeichnen ist das Mindeste, was die Schweiz tun kann. Es gibt da nicht viel zu diskutieren. Ja oder nein zu Atomwaffen? Ich sage Nein!
Der Schweizer Biophysiker Jacques Dubochet erhielt 2017 für die Entwicklung der Kryoelektronenmikroskopie (zusammen mit zwei weiteren Wissenschaftlern) den Nobelpreis für Chemie. Er ist seit jeher politisch aktiv und sass mehrere Jahre im Stadtparlament von Morges. Leidenschaftlich setzt er sich für den Umwelt- und Klimaschutz ein – unter anderem bei der Gletscher-Initiative und den Klima-Grosseltern Schweiz. Er ist Mitglied des Initiativ-Komitees der TPNW.
«direkt»: Kann die atomare Bedrohung durch einen Vertrag verringert werden?
Jacques Dubochet: Niemand hat einen Zauberstab, um Trump oder Putin zu beeinflussen. Aber ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass die Schweizer Regierung diesen Vertrag nicht längst unterzeichnet hat. Das macht mich wirklich wütend. Ist es Gleichgültigkeit, Nachlässigkeit oder Dummheit?
«direkt»: Sie engagieren sich seit langem für Klima- und Umweltfragen. Warum setzen sie sich jetzt für den Atomwaffenverbotsvertrag ein?
Jacques Dubochet: Als Doktorand in Basel war ich an der Gründung einer Zeitung beteiligt, deren Ziel es war, gegen die Atomindustrie und Atomwaffen zu kämpfen. Das war etwa 1975. Ich engagiere mich also nicht erst seit gestern für dieses Thema.
«direkt»: Nach Jahren der Abrüstung wird jetzt weltweit massiv aufgerüstet.
Jacques Dubochet: Wir sollten die Militärausgaben nicht erhöhen. Stattdessen sollten wir das Geld in bessere Beziehungen und soziales Engagement stecken. Die Schweiz könnte hier eine Rolle spielen, aber sie tut es nicht – so wie sie diesen Vertrag nicht unterzeichnet. Das Geld, das in die Armee gesteckt wird, fehlt anderswo. Es wäre besser für die Stellung der Schweiz in der Welt und auch nach Innen, wenn weniger in die Armee und mehr in die Friedensförderung und in eine soziale Schweiz investiert würde.
Mit der Atomwaffenverbots-Initiative wird der Bundesrat aufgefordert, den UN-Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen. Der Vertrag verbietet Staaten Atomwaffen zu entwickeln, zu testen, zu produzieren und zu besitzen. Zudem wird auch die Weitergabe, die Lagerung, der Einsatz und die Drohung mit Atomwaffen verboten. Staaten, die sich nicht daranhalten, dürfen in diesen Aktivitäten nicht unterstützt werden.
Die Initiative wird von einer breiten Allianz unterstützt. Neben verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen sind mit der glp, der EVP und der Mitte politische Parteien bis weit über das linke Spektrum hinaus vertreten.