Frauen kamen in AHV-Berichterstattung zu kurz

Im September hat die Schweizer Stimmbevölkerung der Rentenaltererhöhung für Frauen mit einer hauchdünnen Mehrheit von 50,5 Prozent zugestimmt. Eine Studie zeigt nun, dass die Berichterstattung im Vorfeld der Abstimmung viel stärker auf die Finanzierung der AHV fokussierte. Drohende Altersarmut bei Frauen wurde zu wenig thematisiert.

Eine Mehrheit der Frauen lehnte die Vorlage ab. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)

Rund 300 Zeitungsartikel zur AHV von verschiedenen Medienhäusern hat Marco Jeanmaire für seine Masterarbeit analysiert. Dabei kommt er zum Schluss: Im Zeitraum zwischen Herbst 2017 und der Abstimmung im vergangenen September stand die Finanzierungsfrage viel häufiger im Vordergrund als die Frage, ob die AHV-Rente zum Leben ausreicht und wie es um die Altersarmut von Frauen steht.

Männlicher Blick dominiert

Vor allem Männer legten den Fokus auf die Finanzierungsfrage. Frauen, die in der Berichterstattung konsultiert wurden oder selbst über das Thema schrieben, thematisierten die Rentenleistung mehr als doppelt so oft wie die Männer. Hätten also Frauen gleich häufig wie Männer zum Thema beitragen können, wäre die Frage nach dem Geld, dass nach der Pensionierung bleibt, viel öfter gestellt worden. Doch der männliche Blick auf die Thematik dominierte: Sie kamen weit mehr als doppelt so oft zu Wort wie Frauen. Jeanmaire kommt deshalb zum Fazit, dass Frauen strukturell unterrepräsentiert wurden.

Hätten Medien stärker auf die ausgewogene Repräsentanz der Geschlechter geachtet, läge der Themenschwerpunkt der AHV deutlich weniger bei der Finanzierung. In Anbetracht des knappen Ergebnisses wäre die Abstimmung zur AHV21 im September 2022 dann wohl anders ausgegangen.Marco Jeanmaire

Verpasste Chance für pragmatisches Nein

Frauen sind im Alter fast doppelt so oft von Armut betroffen wie Männer. Und auch der Gender Pension Gap der Schweiz spricht eine deutliche Sprache: Während Männer nach der Pension jährlich im Schnitt rund 55’000 Franken aus AHV und Pensionskasse erhalten, sind es bei den Frauen nicht mal 20’000 Franken. Es waren denn auch die Frauen, welche die AHV-Reform grossmehrheitlich abgelehnt haben. Fast zwei Drittel der Männer stimmten dafür, dass die Frauen in Zukunft ein Jahr länger arbeiten müssen.

Die Studie von Jeanmaire zeigt, dass das pragmatische Nein der Frauen bei einer diverseren Berichterstattung durchaus mehrheitsfähig gewesen wäre. Sein Fazit: «Hätten Medien stärker auf die ausgewogene Repräsentanz der Geschlechter geachtet, läge der Themenschwerpunkt der AHV deutlich weniger bei der Finanzierung. In Anbetracht des knappen Ergebnisses wäre die Abstimmung zur AHV21 im September 2022 dann wohl anders ausgegangen.»

 

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