Angriffskrieg in der Ukraine: Die Schweiz kann mehr tun

«direkt» beleuchtet drei Schauplätze, an denen sich die Schweiz solidarischer zeigen kann mit den Menschen in der Ukraine: Bei den Oligarchengeldern, im Beriech der humanitären Hilfe und beim Handel von russischen Rohstoffen über die Schweiz.

Die Stadt Bachmut in der Oblast Donezk (AP Photo/LIBKOS, File)

 1  Die Oligarchengelder

Vier lange Tage liess der Bundesrat nach Kriegsbeginn Ende Februar 2022 verstreichen, bis er sich schliesslich doch zur Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland durchringen konnte. Zu den Sanktionen gehört auch die Sperrung von russischen Oligarch:innengelder. Wie viele davon auch Schweizer Bankkonten liegen, ist bis heute unklar. Der ehemalige UBS-Chef Marcel Rohner sprach an der Jahreskonferenz der Bankiervereinigung von 150 bis 200 Milliarden. Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO meldete Ende letztes Jahr 46,1 Milliarden Franken von nicht sanktionierten Russ:innen. Woher dieser grosse Unterschied stammt, ist fraglich. Klar ist: 7,5 Milliarden hat die Schweiz gemäss SECO bisher gesperrt. Der Betrag hat sich seit Monaten nicht verändert. Mitte Februar meldete die Credit Suisse zudem, dass sie weitere 17,6 Milliarden Franken von Russ:innen gesperrt oder eingefroren habe – davon rund 4 Milliarden von in der Schweiz sanktionierten Personen.

Taskforce könnte Abhilfe schaffen

Doch gehören die restlichen Milliarden tatsächlich nicht sanktionierten Oligarch:innen? Geht es nach dem Nationalrat, soll dies nun eine Taskforce klären. Damit könnte auch eine absichtliche Verzögerung durch das zuständige Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) unter SVP-Bundesrat Guy Parmelin verhindert werden. Der Ständerat behandelt das Geschäft in der kommenden Frühlingssession.

 2  Die humanitäre Hilfe

Vergleicht man die humanitären Hilfeleistungen der Schweiz mit anderen Ländern, wird schnell klar: Die Schweiz könnte mehr tun. Im internationalen Vergleich landet sie mit 0,03 Prozent zum BIP lediglich auf Platz 10, unter anderem hinter dem neutralen Österreich mit 0,14 Prozent zum BIP. Nun hat der Bundesrat pünktlich zum Jahrestag ein neues Nothilfepaket im Umfang von 140 Millionen für die Ukraine und Moldova geschnürt. Die Idee der Konfiszierung von Oligarch:innengeldern für den Wiederaufbau in der Ukraine will er aber nicht weiter verfolgen. Diese würde gegen die Bundesverfassung und die geltende Rechtsordnung verstossen, so eine Analyse des SECO unter der Leitung des Bundesamts für Justiz. So explizit würde dies aber nicht in dem Papier stehen, meldet diese Woche die Wochenzeitung WOZ, die sich gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz Einblick verschaffte. Einmal mehr ist es also eine Frage des Willens, der auch hier offensichtlich fehlt.

Rechtsgrundlage bereits vorhanden

Gemäss Strafrechtsprofessor und Antikorruptionsexperte Mark Pieth existiert die rechtliche Grundlage für die Verwendung der Oligarch:innegelder bereits. Der Artikel 72 im Schweizer Strafgesetzbuch, auch Anti-Mafia-Artikel genannt, erlaubt es, Gelder einzuziehen, wenn sie «der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation unterliegen». Dafür müssten Putin und seine Entourage als solche eingestuft werden. Dann könnten die Gelder den Geschädigten zukommen.

Nach Schweizer Recht ist es möglich, die eingezogenen Gelder den Personen zukommen zu lassen, die durch die Straftat geschädigt wurden. Falls dies nicht möglich oder von den Opfern nicht gewünscht ist, fallen die eingezogenen Werte in die Schweizer Staatskasse. Die Schweiz ist frei, damit zu machen, was sie will – sie kann die Gelder also auch zum Wiederaufbau der Ukraine nutzen.Mark Pieth, Strafrechtsprofessor und Antikorruptionsexperte

SP fordert Entminungsprogramm

Ob die Schweiz bereit ist, die ukrainische Bevölkerung weiter zu unterstützen, wird sich bald zeigen. Die SP hat angekündet, in der Frühlingssession einen Vorstoss für ein humanitäres Entminungsprogramm einzureichen. 100 Millionen Franken soll es verteilt auf mehrere Jahre in etwa kosten – finanziert aus dem Militärbudget.

 3  Der Rohstoffhandel

Vor dem Angriff auf die Ukraine wurden gemäss Public Eye rund 75 Prozent der russischen Kohleexporte und 50 bis 60 Prozent der Erdölexporte über die Schweiz abgewickelt. Kohle- und Ölimporte nach Europa sind mittlerweile untersagt. Auch der Transithandel mit russischer Kohle ist verboten. Für Erdöl gilt ein Preisdeckel von 60 US-Dollar. Gemäss Robert Bachmann, Experte für Rohstoffe und Finanzen bei Public Eye, sei es sehr schwer zu sagen, in welchem Ausmass der Transithandel über die Schweiz abgewickelt wird. Viele grosse Rohstoffkonzerne hätten sich wegen befürchteter Reputationsschäden von Russland distanziert. Aber es ist anzunehmen, dass diese Konzerne neue Firmen gegründet haben, die jetzt diesen Transithandel übernehmen, so Bachmann.

Es ist gut möglich, dass nach wie vor Schweizer Firmen einen Grossteil des Transithandels mit russischen Rohstoffen abwickeln.Robert Bachmann, Experte für Rohstoffe und Finanzen bei Public Eye

Verschleierungstaktiken

Seit dem Krieg seien wohl auch einige Ableger von Schweizer Unternehmen nach Dubai abgewandert, weil dort die Sanktionen nicht gelten. Wie viele Konzerne mit dieser Taktik den Handel mit Russland verschleiern, ist derzeit noch unklar. «Klar ist: Die russischen Exporte haben nicht abgenommen. Sie gehen jetzt einfach hauptsächlich nach Asien und nicht mehr nach Europa», so Bachmann.

Diese Intransparenz ist von bürgerlichen Politiker:innen seit jeher so gewollt. Und auch jetzt scheint das politische Interesse zur Veränderung nicht gross zu sein – trotz dem völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine. Im vergangenen April sah zumindest die rechte Mehrheit der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats keine Notwendigkeit darin den Handel mit Gas, Erdöl und Kohle von russischen Unternehmen zu verbieten.

 

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