Bürgerliche Parteien kürzen Zehntausenden die Ergänzungsleistungen

Es soll nur jenen geholfen werden, die es wirklich brauchen: So lautet das Hauptargument der Gegner:innen der Initiative für eine 13. AHV-Rente. 2019 haben jedoch alle bürgerlichen Parteien dafür gestimmt, die Ergänzungsleistungen (EL) für bedürftige Rentner:innen zu kürzen. Dies führt dazu, dass seit Anfang Jahr bei 70'000 Personen die EL gekürzt wurden, weitere 8100 Personen verlieren ihren EL-Anspruch sogar ganz.

Foto: Keystone (Christof Schuerpf)

Kurz bevor über die Einführung einer 13. AHV-Rente abgestimmt wird, erhalten zehntausende Renter:innen weniger oder keine Ergänzungsleistungen mehr. 2019 haben alle Parteien Mitte-Rechts geschlossen für die EL-Reform gestimmt und somit Kürzungen bei den Ergänzungsleistungen (EL) gutgeheissen. Die Änderungen traten 2021 in Kraft, die Übergangsfrist lief Ende 2023 ab. Seit Anfang dieses Jahres greifen nun die Kürzungen bei den Ergänzungsleistungen.

300 Franken weniger pro Monat

Gemäss Hochrechnungen der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe SKOS verlieren damit über 8100 EL-Berechtigte ihren Anspruch komplett und schätzungsweise 70’000 Personen erhalten seit diesem Jahr bis zu 300 Franken weniger pro Monat. Zwei Drittel davon sind Pensionierte, ein Drittel IV-Bezüger:innen. Gleichzeitig steigen die Preise in allen Bereichen: Die Mieten werden teurer, die Krankenkassenprämien sind in den letzten Jahren geradezu explodiert und auch für Lebensmittel und Strom muss die Bevölkerung tiefer in die Tasche greifen. Für die EL-Bezüger:innen sind das schlechte Nachrichten. Sie mussten schon vor den Kürzungen bei jeder Ausgabe abwägen, ob sie sich diese leisten können.

Pensionierte wollen 13. AHV-Rente

Am 3. März kommt die Initiative für eine 13. AHV-Rente an die Urne. Gemäss Initiant:innen soll diese den Kaufkraftverlust von rund einer Monatsrente zumindest teilweise auffangen. Die 13. AHV-Rente erhält von allen Alterskategorien mehrheitlich Zustimmung. Die grösste Zustimmung gibt es bei den Personen über 65 Jahre: In der Tamedia-Umfrage von Mitte Januar gaben 84 Prozent an, am 3. März Ja zu stimmen. Das erstaunt kaum, denn die 13. AHV-Rente könnte so insbesondere jene, die ihren Anspruch auf Ergänzungsleistungen verloren oder von Kürzungen betroffen sind, entlasten.

300’000 Pensionierte von Armut betroffen

In der Schweiz sind laut Pro Senectute 300’000 Pensionierte arm oder armutsgefährdet – das sind 20 Prozent aller Renter:innen. Längst nicht alle von ihnen erhalten Ergänzungsleistungen. Die Hürden dafür sind hoch und mit der Revision nun noch weiter gestiegen. Dazu kommt, dass viele Personen, die Anspruch auf Ergänzungsleistungen hätten, aus Scham oder aus Angst vor Stigmatisierung darauf verzichten. Mit einer 13. AHV-Rente könnte dem entgegengewirkt werden.

7 Kommentare

  1. Es ist beschämend wie Schweizerinnen und Schweizer in komfortablen finanziellen Situationen gegen die Vorlage zur 13. AHV Rente argumentieren. – Die AHV ist eine ausgesprochen soziale „Versicherung“ mit einem Umlageprinzip von Begüterten zu armen Mitmenschen. Dies im Gegensatz zur Motorfahrzeugversicherung. Dort zahlen alle gleich viel Prämie bei gleichem Hubraum ihres Autos. Das wird als gegeben seit Jahren schlicht als normal akzeptiert. Bei der AHV aber werden die Proportionen völlig verzerrt dargestellt. Auch wenn Begüterte die 13. erhalten könnten, ist ihre AHV-Lebensbilanz von den bezahlten Prämien zu den je möglichen ausbezahlten Renten sehr negativ. Mit dem Argument, sehr Reiche inkl. Mittelstand, haben die 13. nicht nötig, wird den Bedürftigen jede Chance um ein in der Verfassung garantiertes Existenzsicherheit weiterhin massiv unterschlagen. Das sollen gute und verantwortliche BürgerInnen sein?

  2. Was für ein peinlicher Artikel. Sie erwähnen nicht, dass im Parlament NIEMAND gegen die EL-Revision, die nun nach drei Jahren Übergangsfrist in Kraft tritt, gestimmt hat. Und sie erwàhnen nicht, dass deshalb nun die EL für Personen mit Vermögen über 100’000 (Alleinstehende) oder 200’000 (Paare) wegfällt; aber auch nur, bis sie darunter fallen.

  3. Vielen Dank für dieses Artikel. Es werd etwas klarer wie viel verstecktes Armut es gibt in der reichen Schweiz.
    Zwei Fragen habe ich noch:
    Erstens, meine Frau und ich sind beide Pensioniert und leben eigentlich ziemlich gut davon. Wir können uns keine „Super-Luxus Sachen“ erlauben (wer kann das schon?!) und es ist natürlich immer schön etwas dazu zu bekommen, aber wirklich brauchen, tun wir es nicht…
    Was wäre eine Alternative damit das Geld da kommt wo es wirklich nötig ist, also bei diese 300’000 Leute die (fast in Armut leben? Die Idee der Mitteparteien kommt mir etwas „plötzlich und aus der Luft gegriffen“ vor und bevor das eingeführt wäre, ist schon fast 2030 schätzt ich mal….
    Zweitens: Was noch fehlt, meiner Meinung nach, ist die Finanzierung. Gibt es da schon konkrete Ideen?

  4. Es werden auch bei Menschen mit Behinderungen, welche IV-Renten beziehen und auf EL angewiesen sind gespart. Bei mir sind es ebenfalls ca. CHF 300.– weniger pro Monat, das entspricht ab 01.01.2024 auf einen Schlag -10%.

    1. Ist dies ist die Konsequenz, da jetzt nur noch die effektive KK-Prämie eingerechnet wird. Das heisst nur noch Grundversicherung, obwohl die EL mit meiner Zusatzversicherung monatlich in etwa CHF 1’000.– spart und welche etwa CHF 40.– kosten würde!

    2. Sinken für 2-Personen-Haushalte die EL-Mietzinsmaximas und der doppelte Rollstuhlzuschlag fällt weg.

    Beides eine verdammte Sauerei der bürgerlichen Mehrheit im Bundeshaus und im berner Rathaus und die Mehrheit der Bevölkerung wählt dies so. Unbegreiflich!

    • Die EL muss dir die zusatzversicherungsprämie in die el berechnung als anerkannte ausgabe anrechnen, wenn sie dadurch spart. Das ist in der verordnung so vorgesehen. Frag bitte nach bei pro infirmis oder der EL stelle.

  5. Zum Einen wird immer weiter bei den Pensionären gekürzt (die können wohl kaum streiken), zum Anderen tut sich die SVA sehr schwer damit, korrekte Berechnungen der EL zu erstellen.
    Es fehlen 2 Dinge:
    1. Eine realistische Kostenangleichung pro Jahr und
    2. Eine Aufsichtsbehörde, die das versagen der einen Behörde verhindert.

  6. Es gibt im artikel falsch interpretierte vermeintliche fakten und zahlen. Als sozialarbeiterin ärgere ich mich darüber. Solche artikel sollten nur leute schreiben, welche den inhalt = hier die EL wirklich verstehen. Beispielsweise werden EL zahlen von AHV und IV rentnerinnen genommen obwohl hier von altersarmut als werbung für die 13. ahv renten geschrieben wird. Und bei ahv rentner mit EL von Kürzungen gesprochen, obwohl die längst überfällige limitierung für EL bezüge mit Vermögen gemacht wurde.
    Bei EL diskussionen von parlamentarierinnen von links bis rechts habe ich sowieso das gefühl, dass fast alle die darüber in bern diskutieren zu wenig vertieft informiert sind.
    Wenn ich wählen könnte ob EL verbesserungen für alle iv/ahv rentnerinnen in form von höher anzurechnenden maximalmieten oder eine 13. rente für ahv rentnerinnen möglich wäre, würde ich das erste statt das giesskannenprinzip wählen.
    Leider nicht wählbar.
    Überzeugt für die 13. ahv rente hat mich in der heutigen situation nur das argument: ausgleich von gut verdienern durch maximalrenten an menschen, die nicht gut verdienen konnten.
    Der unausgewogene artikel oben würde mich nicht so stören, wenn es nicht eine mitteiling der SP wäre. Bitte ein andermal nicht „öpfel und bire“ vergliche.

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