Armutsrisiko Wohnen: Was wir dagegen tun können

Überhöhte Mieten und wenig bezahlbarer Wohnraum: Die Wohnsituation für armutsgefährdete Personen wird immer prekärer in der Schweiz. Caritas schlägt verschiedene Lösungen vor, um die Armut durch die Wohnpolitik zu bekämpfen. «direkt» stellt einige davon vor.

Foto: Ennio Leanza (Keystone)

Die Miete ist für viele der grösste Posten im Haushaltsbudget. Gemäss Caritas Schweiz machen die Wohnkosten im Schnitt rund ein Drittel des Bruttoeinkommens aus. Die Belastung durch die Mieten verteilt sich jedoch ungleich je nach Einkommen. Menschen mit tiefen Einkommen haben immer mehr Mühe, die Wohnkosten zu stemmen. Gerade Menschen unter der Armutsgrenze oder Armutsgefährdete geraten durch die steigenden Mieten und das knappe Angebot an bezahlbarem Wohnraum unter Druck. Das ist nicht nur ein finanzielles Problem: Die eigene Wohnsituation trägt massgeblich zur Gesundheit und dem sozialen Anschluss bei.

«Wer über Armutspolitik spricht, kann die Wohnproblematik nicht mehr ausser Acht lassen. Sie ist ein immer zentraler werdender Aspekt der Armutssituation, in denen sich unterschiedliche Haushalte befinden.»

Da die Wohnkosten neben den explodierenden Krankenkassenprämien und den hohen Lebensmittelkosten für armutsgefährdete Personen am meisten ins Gewicht fallen, schlägt Caritas verschiedene Lösungen vor, wie Armut im Wohnbereich bekämpft werden kann.

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Mietzinsbeiträge, Garantien für Mietkautionen und Anteilsscheine

Um Haushalte schnellstmöglich zu entlasten, bieten sich gemäss Caritas Direktzahlungen an. Diese sind vergleichbar mit der individuellen Prämienverbilligung. Eine mögliche Form solcher Direktzahlungen sind Mietzinsbeiträge an Familien, wie das einige Gemeinde und Kantone bereits vorsehen. Eine andere Möglichkeit ist die sogenannte Energiekostenzulage, wie sie die Stadt Zürich seit 2023 kennt. Hier werden Haushalte mit wenig Geld gezielt unterstützt, wenn sie mit steigenden Energiekosten konfrontiert sind.

Für viele Menschen mit tiefen Einkommen stellt zudem die Suche nach einer neuen Wohnung ein immer grösseres Problem dar. Nicht nur, weil weniger bezahlbarer Wohnraum vorhanden ist, sondern weil sie auf einen Schlag bis zu maximal drei Monatsmieten als Mietkaution hinterlegen müssen. Als Lösung schlägt Caritas deshalb vor, dass Stiftungen oder die öffentliche Hand Garantien für Privatpersonen übernehmen, indem sie die Mietkaution bereitstellen. Die gleiche Massnahme wäre auch denkbar für Anteilsscheine bei Wohnbaugenossenschaften. Gemäss Caritas könnten so armutsgefährdete Personen direkt bei der Suche nach einer Wohnung unterstützt werden.

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Gemeindeeigenes Wohneigentum und Förderung des gemeinnützigen Wohnraums

Bezahlbarer Wohnraum verschwindet zunehmend, weil der Boden immer teurer wird. Dies liegt einerseits an illegal überhöhten Mietrenditen durch Immobilienfirmen, aber auch an weniger verfügbarem Platz. Eine Möglichkeit, um wieder mehr Wohnungen zur Kostenmiete zu vermieten, besteht darin, dass die öffentliche Hand – also die Gemeinden – selbst Boden der Spekulation entzieht und dort Wohnraum schafft. Hier könnte ein Vorkaufsrecht für Gemeinden diese Bestrebungen unterstützen.

Besonders wichtig bei neuen Wohnbauprojekten ist für Caritas die Durchmischung: Bei Wohnbauprojekten von Gemeinden können einige Wohnungen subventioniert, andere zur Marktmiete vermietet werden. Das wirkt Stigmatisierungen entgegen und stärkt den sozialen Zusammenhalt.

Steigende Mieten sind kein Naturgesetz. Um der Profitmaximierung auf Kosten der Mieter:innen entgegenzuwirken, muss gemäss Caritas zudem mehr in gemeinnützigen Wohnbau investiert werden. Wohnbaugenossenschaften könnten gefördert werden, indem sie zu günstigen Konditionen Darlehen erhalten, um Baukredite zu realisieren.

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Sozialverträgliche Klimasanierungen

Zur Erreichung der Klimaziele sind Gebäudesanierungen zentral. Gleichzeitig sind ältere Wohnbauten meist auch jene, die zu günstigeren Mietzinsen angeboten werden. Besonders wenn es nach energetischen Sanierungen zu einem Mieter:innenwechsel kommt, fällt die Mietzinserhöhung oft hoch aus. So schwindet weiterer bezahlbarer Wohnraum. Hier gibt es verschiedene Instrumente, um dem entgegenzuwirken. Caritas schlägt vor, dass bei Ersatzneubaten oder Sanierungen mit Leerkündigung ein Pflichtanteil von bezahlbarem Wohnraum für Haushalte mit tiefen Einkommen festgeschrieben wird.

Eine andere Möglichkeit, um illegal überhöhte Mietzinse nach energetischen Sanierungen zu bekämpfen, liegt in der Mietzinskontrolle. Dieses Instrument kennt beispielsweise Basel-Stadt. Damit soll verhindert werden, dass Immobilienbesitzer:innen wichtige Klimasanierungen für gesetzlich unerlaubt hohe Mieten missbrauchen.

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Stärkung des Mietrechts

Ein weiterer Punkt, um Armut entgegenzuwirken, ist die Stärkung des Mietrechts. Caritas schlägt vor, mit einer Formularpflicht zu verhindern, dass nach einem Mieter:innenwechsel höhere Mietzinse verlangt werden. Formularpflicht bedeutet, dass der Mietzins des Vormieters per Gesetz der neuen Mieterin bekannt gegeben werden muss. Dies verhindert, dass die Mieten beliebig erhöht werden, ohne dass es einen tatsächlichen Grund dafür gibt. Einige Kantone kennen diese Formularpflicht bereits.

Weniger weit als die Formularpflicht gehen die mit der Änderung der Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG) eingeführten Anpassungen auf dem Formular. Das Formular zur Mitteilung von Mietzinserhöhungen soll einen Hinweis für die Mietparteien enthalten, dass sie sich auch auf die möglichen Einreden des übersetzten Ertrags und einer Überschreitung der orts- oder quartierüblichen Mietzinse berufen können, um Mietzinserhöhungen abzuwehren. Zudem sollen sie um den aktuellen Stand des Referenzzinsatzes und die Teuerung ergänzt werden, die für den bisherigen Mietzins gegolten haben.

Auch eine periodische Kontrolle der Mietzinsrendite könnte überhöhte Mieten bekämpfen. Denn das Mietrecht erlaubt Vermieter:innen eine bestimmte Rendite zu erzielen. In der Realität ist diese jedoch meist höher angesetzt als erlaubt und für Mieter:innen schwierig zu kontrollieren, denn die Berechnung ist sehr komplex. Heute gibt es keine Kontrolle für die Einhaltung der Renditegrenze. Eine periodische Überprüfung der Mietzinsrenditen bei grösseren Anbieter:innen könnte gemäss Caritas eine dämpfende Wirkung haben und illegal hohe Renditen bekämpfen.

1 Kommentar

  1. Finde die meisten Vorschläge gut. Was aber nicht passieren darf ist, dass mit staatlichen Unterstützungsbeiträgen private Abzockerei quasi „subventioniert“ wird! Das Problem der überrissenen Renditen muss an der Wurzel angepackt werden.

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