Nach dem schweizweiten feministischen Streik, an dem 300’000 Menschen teilgenommen haben, folgt eine wichtige Nachricht für die Gleichstellung: Das Recht auf Abtreibung soll in der Schweiz nicht eingeschränkt werden. Zwei Anti-Abtreibungsinitiativen scheiterten bei der Unterschriftensammlung, so dass es gar nicht erst zu einer Abstimmung kommt.
Lanciert wurden die beiden Initiativen von reaktionären Bewegungen – angeführt von den beiden SVP-Nationalrätinnen Andrea Geissbühler und Yvette Estermann. Ihr Ziel: Frauen daran zu hindern, über ihren eigenen Körper bestimmen zu können.
Langjähriger feministischer Kampf
Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche sind in der Schweiz erst seit 20 Jahren legal. Am 2. Juni 2002 stimmte die Bevölkerung der sogenannten «Fristenlösung» mit über 72 Prozent zu. Zum Vergleich: In Frankreich sind Abreibungen seit 1975 legal, und 2022 wurde die Frist auf 14 Wochen ausgedehnt. Deutschland kennt seit 1993 eine Fristenlösung.
In der Schweiz ging der Einführung der Fristenlösung ein langjähriger feministischer Kampf um die Selbstbestimmung der Frau über den eigenen Körper voraus. Trotz der Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs innerhalb der ersten zwölf Wochen sind Abtreibungen nach wie vor im Strafgesetzbuch geregelt. Eine Frau muss demnach nachweisen können, dass sie sich in einer Notlage befindet oder dass die Schwangerschaft eine Gefahr für ihre Gesundheit darstellt.
Keine Entkriminalisierung
SP und Grüne setzen sich dafür ein, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr an Bedingungen geknüpft sind und endlich entkriminalisiert werden. In einer Motion forderte etwa alt Nationalrat Mathias Reynard, heute Walliser Staatsrat, dass die entsprechenden Bedingungen aus dem Gesetz gestrichen werden. Die rechte Mehrheit lehnte aber bisher alle Vorstösse in diese Richtung ab. Somit bleiben Abtreibungen in den meisten Fällen eine Straftat.
Backlash in den USA: Import gescheitert
Die Initiativen der SVP-Frauen dürften durch die US-Debatte um Schwangerschaftsabbrüche inspiriert worden sein. Dort ist das Recht auf Abtreibung von Frauen im vergangenen Jahr massiv beschnitten worden: Der Oberste Gerichtshof hat das Bundesrecht auf Abtreibung («Roe vs. Wade») widerrufen. Dies ermöglichte es vielen konservativen Bundesstaaten, Abtreibungen auf ihrem Territorium zu verbieten – selbst wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist.
Dieses Mal ist es der SVP nicht gelungen, die konservative Bewegung aus den USA in die Schweiz zu importieren. Die Bevölkerung war nicht bereit, die Initiativen zu unterschreiben. Aber allein, dass das Recht auf Abtreibung überhaupt wieder diskutiert wird, ist höchst bedenklich.