Tiefe Löhne, viel Stress und Arbeitskräftemangel: Die Situation rund um die familienergänzende Kinderbetreuung ist schwierig. Obschon gerade Kitas ein wichtiges Puzzlestück für mehr Gleichstellung sind, stehen in der Schweiz nur 18 Kita-Plätze pro 100 Kinder zur Verfügung. Das muss sich ändern, findet Amanda Ojalvo, die seit zehn Jahren als Erzieherin arbeitet. Für sie ist klar, dass es mehr Kita-Plätze braucht, damit jedes Kind von Geburt an die gleichen Chancen hat.
«Die Chancengleichheit der Kinder sollte von Geburt an gewährleistet sein. Kitas tragen dazu bei. Sie bieten den Kindern die Chance, das Leben etwas gerechter zu beginnen.»
Ojalvo ist der Ansicht, dass die Chancengleichheit von Kindern verbessert werden kann, wenn die familienergänzende Kinderbetreuung zu einer öffentlichen Dienstleistung wird. Diese muss für alle bezahlbar und zugänglich sein: «Die Chancengleichheit der Kinder sollte von Geburt an gewährleistet sein. Kitas tragen dazu bei. Sie bieten den Kindern die Chance, das Leben etwas gerechter zu beginnen.»
Das fordert auch die von der SP und einem breiten Bündnis eingereichte Kita-Initiative. Derzeit gibt die Schweiz nur 0,1 Prozent ihres BIP für die familienergänzende Kinderbetreuung aus. Das ist deutlich weniger als in anderen OECD-Ländern. Die Initiative fordert daher bezahlbare und qualitativ gute Kita-Plätze, die für alle zugänglich sind. Zudem sollen auch die Arbeitsbedingungen für die Kita-Angestellten verbessert werden.
Kita-Plätze stärken die Gleichstellung
Frauen übernehmen heute immer noch den Grossteil der unbezahlten Care-Arbeit. Ein grosser Teil davon ist die Kindererziehung. Dafür müssen sie ihr Arbeitspensum reduzieren und verzichten auf Weiterbildungen oder Karriereentwicklung. Das hat seinen Preis: Frauen verfügen über ein tieferes Einkommen und später über weniger Rente. Die Zahlen sind enorm: Frauen verdienen 100 Milliarden Franken weniger als Männer, obwohl sie die gleiche Anzahl Stunden arbeiten – wenn auch die unbezahlte Care-Arbeit mit eingerechnet wird.
«Viele Familien verfügen über kein Netzwerk, das sie bei der Kinderbetreuung entlastet. Diese Unterstützung muss daher durch ausgebildete und professionelle Personen erfolgen.»
Eine Erhöhung der Anzahl Kita-Plätze könnte diese Situation verbessern. Frauen bei der geleisteten unbezahlten Arbeit zu entlasten, ist eines der Ziele der Kita-Initiative. Amanda erklärt: «Die Eltern müssen ab dem Zeitpunkt der Geburt der Kinder entlastet werden. Viele Familien verfügen über kein Netzwerk, das sie bei der Kinderbetreuung entlastet. Diese Unterstützung muss daher durch ausgebildete und professionelle Personen erfolgen.»
«Wir müssen die Berufe in der Kinderbetreuung aufwerten und anerkennen, wie wichtig es ist, sich um einen anderen Menschen zu kümmern.»
Bessere Arbeitsbedingungen könnten die Branche aufwerten
Ein Hauptproblem des Berufs der Erzieher:innen ist die mangelnde Attraktivität dieser Branche: «Die Gehälter sind oft tief und es gibt kaum Aussichten auf eine berufliche Weiterentwicklung», sagt Ojalvo. «Ausserdem arbeiten die Kita-Angestellten unter grossem Stress und mit durchgehenden Arbeitszeiten. Dazu kommt der ständige Personalmangel.»
Ojalvo fordert: «Wir müssen die Berufe in der Kinderbetreuung aufwerten und anerkennen, wie wichtig es ist, sich um einen anderen Menschen zu kümmern.» Bessere Arbeitsbedingungen würden dazu beitragen, den Beruf attraktiver zu gestalten. Dies will auch die Kita-Initiative: höhere Löhne, bessere Ausbildung des Personals und mehr Angestellte für die Betreuung von weniger Kindern.
Während die bürgerlichen Parteien es kürzlich abgelehnt haben, die finanzielle Unterstützung der Eltern für die familienergänzende Kinderbetreuung zu erhöhen, liegt die Kita-Initiative nun auf dem Tisch des Bundesrates. Die Initiative wird von einem breiten Bündnis unterstützt, das von der SP und den Gewerkschaften bis hin zu Parlamentarier:innen der Mitte reicht. Amanda Ojalvo hofft, dass der Bundesrat und das Parlament den Wert ihrer Arbeit anerkennen und endlich mehr Unterstützung für die familienergänzende Kinderbetreuung sprechen.