Feministischer Streik: «Mutig und laut gegen den Backlash und die Kriegstreiber, die Zukunft ist feministisch»

«Lasst uns niemals unbeteiligte Zuschauende sein», sagte einst Gertrud Kurz, die Gründerin von Frieda. Wenn Geld bei der Entwicklungszusammenarbeit und der Opferberatung gestrichen wird, während mit einer Aufblähung des Militärbudgets die Aufrüstung angeheizt wird, ist dieser Appell aktueller denn je. Deshalb am 14. Juni raus zum feministischen Streik! Zusammen kämpfen wir für eine gewaltfreie, gerechte und feministische Gesellschaft.

Bilder: zvg

Ein Gastbeitrag von Virginia Köpfli, Präsidentin Frieda (ehemals cfd)

«Tochter weinte und sagte, Papa habe Mama getötet»: So eine Schlagzeile aus dem letzten Oktober. Ein Femizid unter vielen in der Schweiz. Allein dieses Jahr waren es schon 15. Doch dabei handelt es sich nur um die Spitze des Eisbergs – das Ausmass dieser Gewalt ist weitaus grösser. Laut neuster Kriminalstatistik nehmen sowohl geschlechterspezifische, queer- und transfeindliche als auch rassistische Gewalttaten in der Schweiz massiv zu.


«Die Sicherheit der einen ist die Legitimation von Gewalt gegen die anderen.»


Aufrüstung statt Opferschutz

Noch selten war das Thema Sicherheit so präsent im öffentlichen Diskurs wie heute. Doch wessen Sicherheit? Die Militärausgaben werden erhöht, während gleichzeitig Gelder in der Entwicklungszusammenarbeit und der Opferhilfe gekürzt werden. Geschlechterspezifische Gewalt wird der sogenannte «Newswert» abgesprochen und Bilder von Gewaltbetroffenen in Konflikten sind schon nach kurzer Zeit normalisiert. Rassismus ist im politischen Mainstream salonfähig, im öffentlichen Diskurs fehlt es an offensiven Gegenstimmen. Die Art und Weise, wie Diskriminierung heute in der Öffentlichkeit immer mehr als Luxusproblem oder als Problem der «Woken» abgetan wird, verdeutlicht die Heftigkeit des Backlash.


«Für uns ist klar: Wir sind nur frei, wenn alle frei sind.»


Doch wer hat in dieser Gesellschaft das Privileg, dass ihre Sicherheit als gesellschaftsrelevant bezeichnet wird? Und wer nicht? Die Antwort ist einfach. In der Politik ist sogenannte «Sicherheit» ein Herrschaftsinstrument. Ein Mittel, das eingesetzt wird, um Gewalt zu begründen und Repression auszuüben. Es ist die Grundlage von Diskursen, welche Gruppen ausgrenzen. Die Sicherheit der einen ist die Legitimation von Gewalt gegen die anderen. Wir befinden uns in einer Zeit, in der Sicherheitspolitik mehr denn je keine Sicherheit, sondern mehr Gewalt schafft.

Feministische Friedenspolitik als Gegenentwurf

Gerade in Zeiten von Militarisierung und rechtsextremen Backlash ist es umso wichtiger, eine starke friedenspolitische und feministische Gegenvision aufrechtzuerhalten. Unser Widerstand gegen die Gewalt der Autokraten und Diktatoren ist im Kern feministisch. Ein positiver Friedensbegriff, wie wir ihn bei der feministischen Friedensorganisation Frieda pflegen, bedeutet mehr als die reine Absenz von bewaffneten Konflikten. Es geht um die Bekämpfung aller Formen von Gewalt – von kultureller bis hin zu struktureller Gewalt. Ziel ist ein freies und selbstbestimmtes Leben für alle Menschen: Dafür müssen wir die intersektionale Dimension von Diskriminierung ins Zentrum setzen. Das heisst, Mehrfachdiskriminierungen, ob miteinander verwoben oder nicht, müssen angesprochen werden. So wird etwa das Thema Behinderungen dieses Jahr im Fokus der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen stehen. Denn für uns ist klar: Wir sind nur frei, wenn alle frei sind.

In der Tradition des Widerstands

«Lasst uns niemals unbeteiligte Zuschauende sein», sagte einst Gertrud Kurz, ihres Zeichens Gründerin von Frieda und bekannt geworden durch ihr grosses Engagement für jüdische Geflüchtete im Zweiten Weltkrieg. Dazumal leistete sie zusammen mit vielen Freiwilligen wichtige Nothilfe für geflüchtete Menschen in der Schweiz. Doch ihr Engagement ging weit darüber hinaus. Sie hielt beispielsweise Vorträge über die Situation der jüdischen Bevölkerung.  Als das Einreiseregime für Geflüchtete in der Schweiz verschärft wurde, leistete sie aktiven politischen Widerstand. In dieser Tradition versteht sich auch Frieda als Ort, an dem Visionen zu feministischer Friedenspolitik als Antwort auf die brennenden Fragen unserer Zeit entwickelt werden können – als Ort, wo handfeste Unterstützung für Gewaltbetroffene und feministische Friedensförderung ermöglicht wird.

Für eine feministische Zukunft: Jetzt erst recht!

So leistet Frieda im Moment gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen Nothilfe im Gazastreifen für die notleidende Zivilbevölkerung. Dazu gehören Bargeldzahlungen für über 1900 Familien zur Beschaffung von lebenswichtigen Gütern sowie dringend benötigte psychosoziale Unterstützung für traumatisierte Frauen und Kinder. Nebst dieser direkten Unterstützung für die Betroffenen setzt sich Frieda auch auf politischer und gesellschaftlicher Ebene – zum Beispiel als Teil des Forums für Menschenrechte in Israel/Palästina – für einen permanenten Waffenstillstand und gerechten Frieden für alle Menschen in Palästina und Israel ein.


«Lassen wir uns nicht zum Schweigen bringen! Bleiben wir mutig und laut, kämpfen wir zusammen für eine friedlichere und feministische Zukunft für uns alle!»


Rückblickend soll sich Gertrud Kurz gefragt haben, ob sie angesichts all des Leids und der Ungerechtigkeit damals nicht hätte lauter sein sollen. Gerne möchte ich diese Reflexion einer sehr mutigen Frau zum Anlass nehmen, uns selbst zu fragen: wo müssen wir lauter und mutiger sein? Der Anspruch, nicht unbeteiligte Zuschauende zu sein, mag vermeintlich banal klingen. Und doch wird er in Zeiten der Normalisierung von Gewalt zur Herausforderung. Gerade anlässlich des 14. Juni braucht es unseren feministischen Widerstand: Lassen wir uns nicht zum Schweigen bringen! Bleiben wir mutig und laut, kämpfen wir zusammen für eine friedlichere und feministische Zukunft für uns alle!

Frieda - die feministische Friedensorganisation
Frieda (ehemals cfd) ist eine feministische Friedensorganisation, die sich dafür einsetzt, dass Frauen und Jugendliche gleichberechtigt Zugang zu Lebensgrundlagen, Rechten, Mitbestimmung und Entfaltungsmöglichkeiten haben. In der Schweiz und im Ausland fördert Frieda den Wandel hin zu gewaltfreien und geschlechtergerechten Gesellschaften. Das Ziel: Alle sollen frei von Gewalt und Diskriminierung leben. Seit Ende Mai präsidiert Virginia Köpfli die Organisation.

Der Gastbeitrag ist eine «Carte Blanche» und widerspiegelt die Meinung der Autorin.


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