Der Ständerat will nichts vom Sozialpartner-Kompromiss wissen. Dieser hätte die zweite Säule ausgewogen reformiert und im Gegenzug für die Senkung des Umwandlungssatzes Rentenzuschläge vorgesehen. Damit wären Rentenkürzungen vermieden worden. Die aktuelle Vorlage führt nun aber nicht wie versprochen zu höheren Frauenrenten, sondern sogar zu Rentensenkungen und tieferen Netto-Einkommen. Wir haben für euch die drei zentralen Knackpunkte dieser Vorlage zusammengefasst:
1. Umwandlungssatz senken – wirklich?
Sowohl der ursprüngliche Kompromiss als auch der neue Vorschlag sehen eine Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent vor. Der Umwandlungssatz bestimmt, wieviel Prozent des Altersguthabens jährlich als Rente ausbezahlt wird. Eine Senkung führt deshalb zu tieferen Renten für alle. Diese Einsparungen von drei Milliarden Franken jährlich werden somit durch die Versicherten bezahlt. Der Bundesrat wollte mit den Sozialpartnern diese Senkung mit Rentenzuschlägen ausgleichen.
Pensionskassen-Experten wie der Journalist Danny Schlumpf, Co-Autor des Buches «Das Rentendebakel», stellt in Frage, ob der Umwandlungssatz gesenkt werden müsse. Er sieht einen anderen Reformbedarf im Pensionskassen-System. Laut Schlumpf bezahlen die Versicherten jährlich 20 Milliarden Franken Gebühren, die durch lukrative Anlagestrategien zu riesigen Gewinnen bei der Finanzindustrie auf Kosten der Versicherten führen. Statt den Umwandlungssatz zu senken und tiefere Renten für alle in Kauf zu nehmen, würde also auch der Wechsel des Anlageverfahrens und ein Verbot von überhöhten Gebühren Abhilfe schaffen.
2. Wer vorher wenig hatte, hat mit der Reform auch nicht mehr
Die Versprechen gegenüber der Bevölkerung beruhen darauf, die Rentensituation für Personen mit tiefen Einkommen oder Angestellten in Teilzeitpensen mit dieser Vorlage zu verbessern. Das betrifft heute vor allem Frauen, die deutlich häufiger in Tieflohnbranchen und Teilzeit arbeiten als Männer. Dazu kommen Erwerbsunterbrüche wegen Kinderbetreuung, die in der zweiten Säule – anders als in der Ersten – nicht durch Erziehungs- und Betreuungsgutschriften kompensiert werden. Genau bei diesem Punkt, hätten Rentenzuschläge die finanzielle Lage der Menschen deutlich verbessern sollen.
Personen, welche die letzten zehn Jahre vor dem Renteneintritt nicht in der zweiten Säule versichert sind, erhalten mit der neuen Vorlage keine Rentenzuschläge. Ihnen bringt es nichts, höhere Lohnbeiträge in die zweite Säule einzubezahlen. Denn: Diese Menschen beziehen meistens auch Ergänzungsleistungen zur Rente. Wird diese Rente nun um ein paar Franken erhöht, werden im Gegenzug einfach die Ergänzungsleistungen in gleichem Umfang gekürzt. Faktisch steht diesen Renter:innen also genau gleich viel Geld zur Verfügung. Während des Erwerbslebens hatten sie jedoch wegen den Abzügen weniger in der Tasche. Der Tagesanzeiger veranschaulicht das mit dem Beispiel einer Arbeitnehmerin mit 3’300 Franken Bruttoeinkommen:
Damit bricht die aktuelle Reformvorlage mit dem Versprechen aus der AHV-Abstimmung, dass die Frauenrenten endlich verbessert werden.
3. AHV versus 2. Säule: Wohin mit den Lohnprozenten
Kern der Vorlage neben der Senkung des Umwandlungssatzes ist, mehr Lohnfranken bei Teilzeitpensen zu versichern. Doch mit niedrigerer Eintrittsschwelle und tieferen Koordinationsabzügen werden gleichzeitig auch die Abzüge deutlich höher. Das führt zwar zu einer etwas höheren Rente, während des Arbeitslebens aber zu einer massiven Senkung des Netto-Lohns. Das kann gerade für Menschen mit einem tiefen Einkommen einschneidend sein.
Anders wäre die Sachlage, würden die Lohnprozente statt in die Pensionskasse in die AHV fliessen. Durch die AHV erhalten alle eine Rente – unabhängig davon, wie hoch ihr Arbeitspensum oder ihr Lohn ist. Und: Nur die AHV berücksichtigt unbezahlte Betreuungs- und Pflegearbeit, die weiterhin vor allem von Frauen geleistet wird. Über 90 Prozent der Erwerbstätigen erhalten durch die AHV und deren solidarische Finanzierung mehr zurück als sie einzahlen. Deshalb wollen Politiker:innen der SP und der Gewerkschaften die AHV stärken unter anderem durch eine 13. AHV-Rente.
Wer den bürgerlichen Parlamentarierinnen wie Frau Sauter geglaubt hat, dass die Renten der Frauen mit geringem Einkommen verbessert würden sieht sich jetzt getäuscht und betrogen. Die Strategie der SP, die AHV Reform abzulehnen war darum richtig. Auf bürgerliche Versprechungen kann man nicht bauen. Lassen wir uns das gefallen, wie mit unseren Renten umgesprungen wird, sind wir die Dummen. Ein erneutes Referendum muss ernsthaft in Erwägung gezogen werden.