Asti Roesle: «Ohne intakte Natur keine Finanzmarktstabilität.»

Die SNB investiert Milliarden in die hoch schädliche Fracking-Technologie und heizt so indirekt die Klimakrise an. Damit gefährdet sie längerfristig die globale Finanzmarktstabilität. Warum das so ist, schreibt Klima-Expertin Asti Roesle in ihrer Kolumne bei «direkt».

Wissen Sie, wo die Hunderten von Milliarden investiert sind, die unsere Nationalbank (SNB) zur Stärkung des Frankens anlegen muss?

Die SNB befindet sich schätzungsweise unter den zehn grössten institutionellen Investoren der Welt und hat damit globales Gewicht. Grundsätzlich investiert sie breit und divers, um die Risiken zu minimieren. Ihre Anlagerichtlinien geben vor, dass sie nicht in Aktien oder Anleihen von Unternehmen investieren sollte, die grundlegende Menschenrechte massiv verletzen oder systematisch gravierende Umweltschäden verursachen. Zudem gibt sie sich selbst den Auftrag, «grundlegenden Normen und Werte der Schweiz» zu beachten. Wie ist es dennoch möglich, dass unsere Nationalbank neun Milliarden US-Dollar in 69 Fracking-Unternehmen investiert? Dies entspricht dem geschätzten Gesamtpreis des Hubble-Weltraumteleskops –   einem Meisterwerk der Weltraumforschung. Die Fracking-Technologie – eine unkonventionelle Öl- und Gasfördermethode – betrachte ich hingegen als ein Meisterwerk der Zerstörung auf unserem Planeten.

Fracking schadet Menschen und Umwelt

Die Fracking-Technologie führt zu gravierenden Folgen für Mensch und Umwelt. Sie zerstört ganze Landstriche und vergiftet systematisch Gewässer. Zudem ist sie vielerorts mit Menschenrechtsverletzungen verknüpft, führt zu Gesundheitsschäden bei der lokalen Bevölkerung und trägt zur Erderhitzung bei.

«Kantone sollten sich als kollektive Mehrheitseigentümer dafür einsetzen, dass Unternehmen, die Fracking einsetzen, aus dem Devisenportfolio der SNB ausgeschlossen werden.»

Kein Wunder, dass sich 14 Kantone, in denen 69 Prozent der Schweizer Bevölkerung leben, mittels gesetzlich verankerter Verbote, Moratorien oder öffentlichen Positionsbezügen gegen Fracking positioniert haben. Diese Kantone besitzen rund drei Viertel aller von den Kantonen verwalteten SNB-Aktien. Aufgrund der breit abgestützten Ablehnung von Fracking in den Kantonen und bei der Bevölkerung liegt der Schluss demnach nahe, dass mit Investitionen in Fracking-Unternehmen breit akzeptierte Grundnormen verletzt werden. Eigentlich müsste die SNB gemäss ihren eigenen Richtlinien nun handeln – was sie aber nicht macht. Kantone, Kantonalbanken und andere kantonale oder kommunale Einrichtungen sollten sich dafür einsetzen, dass Unternehmen, die Fracking und andere schädliche Technologien einsetzen, aus dem Devisenportfolio der SNB ausgeschlossen werden.

Die SNB braucht einen Ethik-Rat

Als logische Konsequenz zur Debatte über die «grundlegenden Normen und Werte der Schweiz» muss ein SNB-Ethik-Rat gegründet werden. Es braucht ein breit abgestütztes Expert:innengremium, das grundlegende Normen und Werte in Bezug auf den Klimaschutz, den Erhalt der Biodiversität sowie soziale Auswirkungen der Geldpolitik transparent ergründen und festlegen kann.

«Die geldpolitische Strategie der SNB muss an die neue klima- und umweltpolitische Realität und die massgebenden internationalen Verpflichtungen der Schweiz angepasst werden.»

Ebenso nötig erscheint eine Überarbeitung der geldpolitischen Strategie unter Einbindung der Zivilgesellschaft und externer Expert:innen – dies in transparenter und ergebnisoffener Weise. Vorbilder gibt es bereits: die Konsultationsprozesse der US-Notenbank und der Europäischen Zentralbank. Zahlreiche Zentralbanken haben in den letzten Jahren ihre Strategie überprüft und angepasst. Die geldpolitische Strategie der SNB muss ebenfalls an die neue klima- und umweltpolitische Realität und die massgebenden internationalen Verpflichtungen der Schweiz angepasst werden.

Was das SNB-Anlageportfolio betrifft, bin ich der Meinung, dass die SNB aktiv ihre Aktionärsrechte nutzen und bei zweifelhaften Unternehmen als Aktionärin eine entschlossene Vorgehensweise verfolgen sollte.  Unternehmen, die an Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind, müssen aus dem Devisenportfolio ausgeschlossen werden. Mit solchen Massnahmen könnte unsere Nationalbank ihre bestehenden Anlagerichtlinien konsequenter einhalten. Nicht zuletzt würde sie damit auch die Nachhaltigkeitsziele des Bundes sowie die Ziele des neuen Klimaschutzgesetzes unterstützen.

Auch Bundesrat und Parlament stehen in der Pflicht

Die SNB hat als unabhängige Zentralbank eine Geldpolitik zu betreiben, die dem Gesamtinteresse des Landes dient. Die Rollen von Bundesrat und Parlament sind dabei zentral: Gemäss unserer Bundesverfassung wird die Nationalbank unter Mitwirkung und Aufsicht des Bundes verwaltet. Dementsprechend müssen auch der Bundesrat und das neue Parlament handeln: Sie sollten im Rahmen ihrer Aufsichts- und Rechenschaftspflicht gegenüber der SNB dafür sorgen, dass diese die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes einhält. Auch sollten sie bei der SNB die Verpflichtungen der Schweiz zur Einhaltung der internationalen Klima- und Biodiversitätsziele einfordern, weil dies im Gesamtinteresse unseres Landes liegt.

«Es ist höchste Zeit, dass die Entscheidungsträger:innen in der Nationalbank, der Regierung und im Parlament im Gesamtinteresse unserer Zukunft handeln.»

Würden die SNB und auch der Bundesrat endlich anerkennen, dass der Klimawandel und der Biodiversitätsverlust die Preis- und Finanzmarktstabilität gefährden, müsste unsere Nationalbank damit beginnen, ihre Strategie und ihr Instrumentarium anzupassen. Ich bin überzeugt, dass sie damit nicht nur ihr bestehendes Mandat effektiver umsetzen, sondern auch ihre Unabhängigkeit langfristig stärken könnte.

Für mich ist klar: Ohne intakte Natur und stabiles Klima wird es langfristig auch keine Preis- und Finanzmarktstabilität mehr geben. Und ohne tatkräftige Unterstützung der Zentralbanken schaffen wir den notwendigen und dringenden Übergang zu einer sozial gerechteren und grünen Wirtschaft nicht. Es ist höchste Zeit, dass die Entscheidungsträger:innen in der Nationalbank, der Regierung und dem Parlament im Gesamtinteresse unserer Zukunft handeln.

Box: Was ist Fracking?

Fracking ist eine unkonventionelle Fördermethode von Öl und Gas, bei der Chemikalien, Wasser und Sand unter hohem Druck in den Untergrund gepumpt werden. Während dieses Prozesses kann auch das klimaschädliche Gas Methan entweichen und in die Atmosphäre gelangen. Fracking-Aktivitäten zerstören ganze Landstriche, verschmutzen das Grundwasser, verunreinigen die Luft und schaden der Biodiversität. Zudem verursacht Fracking massive Gesundheitsprobleme wie erhöhtes Krebsrisiko, Atemwegserkrankungen, starke Hautausschläge, Entkalkung der Knochen und Frühgeburten.


Asti Roesle ist Koordinatorin bei der Klima Allianz Schweiz zum Thema Finanzsektor und Klima. Die ausgebildete Forstingenieurin und Juristin ist seit über 20 Jahren Klimaaktivistin und arbeitete während 14 Jahren in internationalen Umweltprojekten bei Greenpeace.

Die Kolumne ist eine «Carte Blanche» und widerspiegelt die Meinung der Autorin. 

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein