Belgien verabschiedet Gesetz gegen Femizide

Belgien hat als erstes europäisches Land ein Gesetz zu Bekämpfung von Femiziden beschlossen. Mit gezielten Massnahmen will der Staat gegen geschlechterspezifische Tötungsdelikte vorgehen. Auch in der Schweiz gibt es diesbezüglich Forderungen. Denn auch hier stirbt rund jede zweite Woche eine Frau durch die Gewalt eines Mannes.

Frau hält sich schützend die Hände vor den Körper.
Foto: Keystone (Fabian Sommer)

«Familiendrama» oder «Verbrechen aus Leidenschaft» sind nur zwei von vielen verharmlosenden Begriffen, welche die Medien im Zusammenhang mit Femiziden verwenden. So wie die Tötungsdelikte an Frauen oft nicht klar benannt werden, gibt es europaweit kein Monitoring für diese extreme Form von geschlechterspezifischer Gewalt – auch in der Schweiz nicht. Durch mühsame Analyse von Zeitungsartikeln, Polizeiberichten und weiteren Berichterstattung versuchen deshalb verschiedene NGOs, die Femizide statistisch zu erfassen. Die Daten bleiben aber aufgrund mangelnder Quellen unvollständig. Vergleiche anzustellen und Rückschlüsse zu ziehen, ist schwierig.

Monitoring und Prävention

In Belgien soll sich dies nun ändern. Nach einem weiteren brutalen Tötungsdelikt an einer jungen Frau im vergangenen Herbst arbeitete die Regierung ein Gesetz gegen Femizide aus. Die Abgeordnetenkammer hat dieses Ende Juni verabschiedet. Belgien ist damit das erste Land mit einem umfassenden Gesetz gegen geschlechterspezifische Tötungsdelikte. Femizid ist bisher nur in Spanien und in Italien überhaupt als Straftat anerkannt.

Das belgische Gesetz definiert den Begriff Femizid und sieht eine Datensammlung zur Erfassung von verschiedenen Merkmalen zu Opfern, Tätern und deren Beziehung vor. Ein wissenschaftlicher Ausschuss soll diese analysieren und dazu einen Bericht publizieren. Der Opferschutz wird ausgebaut, Polizist:innen werden mit Schulungen darauf sensibilisiert, Warnsignale besser zu erkennen.

Wie immer bei Gesetzen zu einem verbesserten Schutz vor geschlechterspezifischer Gewalt geht auch dem neuen Gesetz in Belgien ein grosses zivilgesellschaftliches Engagement von feministischen Organisationen voraus.

Was heisst «Femizid»?

Als Femizid oder auch Feminizid wird ein geschlechterspezifisches Tötungsdelikt bezeichnet. Oft geht die Tötung von einem Partner, einem Ex-Partner oder anderen Familienmitgliedern aus. Aber auch wenn ein Freier eine Sexarbeiterin tötet, spricht man von Femizid. Ebenfalls als geschlechterspezifisches Tötungsdelikt gilt, wenn eine Frau nach einer Zwangsabtreibung oder ein Mädchen nach einer Genitalverstümmelung stirbt.

Schweizer Strafgesetzbuch kennt keinen Femizid

Auch in der Schweiz stirbt rund jede zweite Woche eine Frau durch die Gewalt eines Mannes. Im laufenden Jahr sind dies bereits 14 Femizide, wie aus den Analysen der Organisation Stop Femizid hervorgeht. SP-Nationalrätin Tamara Funiciello bezeichnet die geschlechterspezifischen Tötungsdelikte als «Spitze des Eisberges». Ein Blick auf die Zahlen zur häuslichen Gewalt bestätigt diese Aussage: 20’000 Gewaltakte gegen Frauen werden in der Schweiz jährlich gemeldet. Diese hohe Zahl zeigt: Geschlechterspezifische Gewalt ist eine gesamtgesellschaftliche Problematik, die durch fehlende Gleichberechtigung, stereotype Rollenbilder und toxische Männlichkeit entsteht.

Umsetzung der Istanbul-Konvention harzt

Im Einsatz gegen geschlechterspezifische Gewalt hat die Schweiz die Istanbul-Konvention des Europarats ratifiziert. Diese trat 2018 in Kraft. «Grevio», das zuständige Expert:innengremium der EU, sieht in einer Zwischenbilanz nach vier Jahren in zahlreichen Bereichen grosses Verbesserungspotenzial. So sei die Finanzierung von Präventionsprogrammen unzureichend. Auch dass Femizide nicht als solche benannt und anerkannt werden, bemängelt «Grevio».

Immerhin: Das Parlament hat die Änderung des Schweizer Sexualstrafrechts zu einer «Nein heisst Nein»-Lösung unter Berücksichtigung der Schockstarre inzwischen verabschiedet. Andere Vorstösse hatten und haben es angesichts der rechten Dominanz in beiden Kammern weiterhin schwierig.

Was will die Istanbul-Konvention?

Der Europarat hat 2011 das Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt (Istanbul-Konvention) ausgearbeitet. Die Konvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der verbindliche Rechtsnormen schafft. Alle Länder, die den Vertrag ratifiziert haben, sind verpflichtet, entsprechende Massnahmen zu ergreifen.

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2 Kommentare

  1. Toxisch heisst giftig, das weiss ich. Und Toxizität ist eine Stoffeigenschaft. Die toxische Wirkung eines Stoffes auf ein Lebewesen hängt neben seiner Giftigkeit entscheidend von der Dauer und der Dosis und Art ihrer Aufnahme ab.

    Was aber bedeutet „toxische Männlichkeit“ genau? Wie ist das definiert? Sie soll ja gem. Artikel eine Ursache für geschlechtsspezifische Gewalt sein. Aber was ist das?

  2. Wenn Männer* Opfer werden, dann ist das einfach Gewalt. Wenn Frauen* Opfer werden, dann wird eine weitere (verfassungswidrige?) sexistische Sonderbehandlung gefordert – als ob die männlichen Opfer bspw. bei „häuslicher Gewalt“ nicht schon genug benachteiligt wären (z. B. im Kanton BL).
    #WomenMostAffected
    #GenderEmpathyGap
    #TheDisposableSex

    Und woher wollen eigentlich Dritte objektiv wissen, was das wirkliche Motiv einer Totschläger*in bzw. einer Mörder*in war und ob es bei umgekehrter Geschlechterlage nicht analog herausgekommen wäre? Einfach aufgrund des Geschlechts des Opfers und der Täter*in und der mutmasslichen Motive oder bestimmter Tatumstände Fälle unter dem sehr zweifelhaften Begriff „Femizid“ zusammenzufassen, ist irreführend, wenn insinuiert wird, es handle dich um Tötungen aufgrund des Geschlechts.

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