Ständerat lässt Kantone und Schutzsuchende im Regen stehen

Der Bund wollte sich mit einem Zusatzkredit von 133 Millionen auf den voraussichtlich bevorstehenden Anstieg von Asylgesuchen vorbereiten. Der Ständerat hat sowohl den Kredit als den Kompromissvorschlag der Finanzkommission versenkt. Dies gegen Bundesrat und Nationalrat, welche sowohl dem ursprünglichen Kredit wie auch dem Kompromiss zugestimmt hatten. Damit lassen die bürgerlichen Standesvertreter:innen ausgerechnet jene im Regen stehen, die sie in der kleinen Kammer vertreten sollten: Die Kantone, die sich ebenfalls für den Kredit aussprachen. Die Folgen der Ablehnung müssen nun die Menschen auf der Flucht tragen.

Blick in die Räumlichkeiten der temporären Asylunterkunft des Bundes in Dübendorf. (KEYSTONE/Ennio Leanza)

2022 haben rund 75’000 Geflüchtete aus der Ukraine in der Schweiz Schutz gesucht. Zusätzlich ist die Anzahl der Asylgesuche im Vergleich zum Vorjahr signifikant angestiegen. Aufgrund der geopolitischen Lage rechnet das Staatssekretariat für Migration mit einem weiteren Anstieg. Viele Asylunterkünfte sind aber bereits fast vollständig belegt.

Mit einem Zusatzkredit von 133 Millionen sollten Container-Siedlungen an vier Militärstandorten entstehen, um zusätzlichen Platz für 3’000 Asylsuchende zu schaffen. Eine bürgerliche Mehrheit im Ständerat hat diesen Zusatzkredit inklusive dem Kompromissvorschlag der Einigungskonferenz bachab geschickt.

Ständerat stellt sich gegen kantonale Interessen

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Für die Unterbringung der Schutzsuchenden braucht es rasch Lösungen. Nun muss geklärt werden, wer dafür aufkommen soll. Die Kantone sind der Meinung, dass die Erstunterbringung wie üblich durch den Bund erfolgen muss. Sie selbst sollen finanziell erst dann in die Pflicht kommen, wenn die Asylsuchenden auf die Kantone verteilt werden.

Nun machen ihre eigenen Standesvertreter:innen den Kantonen einen Strich durch die Rechnung. Denn mit dem definitiven Nein zum Zusatzkredit von letzter Woche schiebt der Ständerat die Verantwortung auf die Kantone ab. Dabei hatten sich diese für die Kompromisslösung stark gemacht, da auch sie sonst ab Herbst Reserveplätze in ihren Zivilschutzanlagen belegen müssten. Der Ständerat als Vertretung der Kantone stellt sich damit gegen die eigenen Interessen.

Menschenunwürdige Unterbringung droht

Das Nein des Ständerats verunmöglicht es dem Staatsekretariat für Migration (SEM), nun geeignete Massnahmen zu ergreifen. Der Bundesrat wird die Asylsuchenden somit entweder schneller auf die Kantone und Gemeinden verteilen, oder er wird gezwungen sein, per Notrecht eine Lösung durchzusetzen. Sonst riskiert er, dass Asylsuchende kein Dach über dem Kopf haben. Auch eine menschenunwürdige Unterbringung in unterirdischen Bunkern ist nicht ausgeschlossen.

Von links hagelt es Kritik. Denn die FDP und die Mitte provozieren bewusst ein Chaos auf Kosten der geflüchteten Menschen. Die beiden Parteien «machen sich zu Steigbügelhaltern der SVP, welche ein unkoordiniertes Asylwesen will, um danach gegen die Asylsuchenden Stimmung zu machen», meint Mattea Meyer, Co-Präsidentin der SP. Sie ist der Ansicht, dass die aktuellen Herausforderungen im Bereich Migration landesweit koordinierte Antworten und Anstrengungen fordern. Nun werde aber bewusst jenen Menschen geschadet, «die unsere Unterstützung brauchen» – den vor Krieg und Gewalt geflüchteten Menschen.

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