Anerkennung im Ständerat: Armut ist kein Verbrechen

Wer auch nach längerem Aufenthalt in der Schweiz Sozialhilfe beziehen muss, läuft Gefahr, den Aufenthaltsstatus zu verlieren. Das soll sich jetzt ändern: Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat der parlamentarischen Initiative «Armut ist kein Verbrechen» zugestimmt.

Foto: AP Photo (Michael Probst)

Viele Menschen ohne Schweizer Pass verzichten darauf, in einer Notsituation Sozialhilfe zu beziehen. Denn die Folgen können verheerend sein: Sie müssten in Kauf nehmen, dass sie ihren Aufenthaltsstatus verlieren, egal ob sie bereits seit zehn Jahren in der Schweiz leben oder gar hier geboren sind sowie immer Steuern bezahlt haben. Die Folge davon: Ein Leben in Armut. Betroffen sind insbesondere auch viele Familien mit Kindern, wie eine Studie des Büro BASS zeigt.

Ständerat überstimmt Kommissionsmehrheit

Dass Armut kein Grund für eine Ausschaffung sein darf, findet auch SP-Nationalrätin Samira Marti. 2020 hat sie eine parlamentarische Initiative dagegen eingereicht. In der Herbstsession 2022 konnte sie einen ersten Erfolg verbuchen: Der Nationalrat hat der parlamentarischen Initiative und damit einer Änderung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG) mit 96 zu 85 Stimmen zugestimmt.

Im Februar 2023 folgte dann ein Dämpfer: Die Mehrheit der zuständigen Staatspolitischen Kommission des Ständerats sah keinen Handlungsbedarf und empfahl mit 7 zu 6 Stimmen, die Initiative von Marti abzulehnen. Zu den Unterstützenden gehörten neben der SP und den Grünen auch Ständeräte der FDP und der Mitte. Mit dieser Unterstützung stimmte der Ständerat in der aktuellen Sommersession der Initiative von Marti zu ­– wenn auch nur knapp, mit 23 zu 20 Stimmen. Nun kann eine entsprechende Gesetzesänderung ausgearbeitet werden.

Grosses zivilgesellschaftliches Engagement

Dieser grosse Erfolg wurde auch durch ein grosses zivilgesellschaftliches Engagement möglich. Über 80 Organisationen setzen sich für das Anliegen ein. Eine breite Allianz von Gewerkschaften, Hilfswerken, Kirchen, Parteien und Migrant:innenvereinen sammelten rund 17’000 Unterschriften für eine Petition, um die Dringlichkeit des Anliegens zu unterstreichen.

Einreichung der Petition «Armut ist kein Verbrechen». Foto: SP Schweiz

Die Gesetzesänderung kann für zahlreiche Menschen, die ohne Schweizer Pass hier leben, viel bewirken. Wenn diese gemäss der parlamentarischen Initiative umgesetzt wird, könnten Armutsbetroffene ohne Schweizer Pass Sozialhilfe beantragen, ohne dabei kriminalisiert zu werden oder eine Ausschaffung zu riskieren.

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