
Seit Beginn des Kriegs in Gaza hat die internationale Debatte über die Anerkennung des Staates Palästina Aufwind erhalten. Irland, Spanien, Norwegen und Slowenien haben Palästina 2024 offiziell anerkannt. Weitere Länder – darunter Frankreich, Malta, Kanada und wahrscheinlich auch das Vereinigte Königreich, Finnland und Portugal – wollen bald folgen.
Europäische Staaten wehren sich gegen Annexion
Die Gründung Israels geht auf den UN-Teilungsplan von 1947 für das ehemalige Mandatsgebiet Palästina zurück, der gleichzeitig einen Staat für die Palästinenser:innen vorsah. 147 der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen haben einen palästinensischen Staat seither anerkannt. Durch die neusten Ankündigungen würden neu, mit China und Russland, vier der fünf ständigen Mitglieder des UN-Weltsicherheitsrats Palästina als Staat anerkennen. Damit wären die USA das einzige ständige Mitglied, das die Anerkennung weiterhin verweigert.
Nach der Ankündigung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fand Ende Juli in New York eine UN-Sonderkonferenz statt – mit einem klaren Ziel: Die Diskussion um eine Zweistaatenlösung, die seit Netanjahus Rückkehr ins Amt als israelischer Premierminister 2009 zum Stillstand geraten ist, wiederzubeleben. Die Zweistaatenlösung – also ein eigenständiger Staat Israel und ein eigenständiger Staat Palästina – soll entlang der Waffenstillstandslinie von 1949 umgesetzt werden. Diese Grenzen, die bis 1967 Bestand hatten, gelten im Völkerrecht weiterhin als Basis.
Seither wurden besagte Grenzen aber routiniert von Israel missachtet: Immer mehr Gebiete im Westjordanland werden von radikalen jüdischen Siedler:innen – mit Unterstützung der Regierung – gewaltvoll annektiert und kolonisiert. Nun droht in Gaza und im Westjordanland die komplette Annexion. Erst kürzlich hat das israelische Parlament einer Resolution zugestimmt, die eine Annexion des Westjordanlandes durch die rechte Regierung Netanjahus befürwortet. Dieser Entscheid sorgte international für Kritik, denn sie verunmöglicht eine Zweistaatenlösung dauerhaft.
Für Richard Gowan, UN-Direktor der Denkfabrik International Crisis Group, sind die erfolgten Ankündigungen der westlichen Staaten zur Anerkennung eines souveränen Staates Palästina ein wichtiges Signal. Er sagt gegenüber ARD: «Die Europäer zeigen Israel so, dass sie nicht einfach die Annexion der Westbank ankündigen und glauben können, dass das global akzeptiert wird.»
Wo stehen Bundesrat Cassis und die Schweiz?
Obschon sich die Schweiz seit Langem zur Zweistaatenlösung bekennt, will sie Palästina erst unter gewissen Bedingungen als Staat anerkennen. Nämlich dann, wenn es eine umfassende Friedenslösung und einen entsprechenden politischen Fahrplan gemeinsam mit Israel gibt. Damit geht Bundesrat Cassis einen komplett anderen Weg als andere westeuropäische Staaten: Diese wollen durch die Anerkennung Palästinas Druck ausüben, um die Aushungerung der Menschen in Gaza und die drohende Annexion zu stoppen.
Die Anerkennung Palästinas wurde bereits mehrfach im Schweizer Parlament diskutiert – bisher chancenlos. Erst kürzlich debattierte der Nationalrat auf Antrag von SP-Nationalrat Fabian Molina über die Anerkennung Palästinas. Dieser betonte, dass nur eine Zweistaatenlösung auf Basis der Grenzen von 1967 langfristigen Frieden und die Sicherheit Israels und Palästinas garantieren kann. Die rechts dominierte Kammer lehnte den Vorstoss ab. Auch Bundesrat Cassis empfahl das Postulat zur Ablehnung, weil dieser Entscheid nicht in der Kompetenz des Parlaments, sondern des Bundesrats liege. Die Frage ist also: Wird sich die Schweiz bald der internationalen Initiative unserer Nachbarländer anschliessen – oder schaut sie weiterhin nur zu? Der Druck auf den Aussenminister dürfte in den nächsten Wochen weiter steigen.
Ich bin total einverstanden mit den Ausführungen des Artikels samt Rückschau auf 1947. Was mir fehlt ist eine klare Verurteilung des Terrorangriffs der Hamas am 07.10. 2023. Dies war der unmittelbare Auslöser des jetzigen grässlichen Krieges.
Wer ein wenig in die Tiefe blicken mag, dem sei zum Anfang Noam Zadoffs kleine Fibel “Geschichte Israels” empfohlen, die mit genau diesem Angriff schliesst.
Ein Artikel wie dieser muss sich dagegen knapp halten – jeder unmitelbare Auslöser hat selbst wieder einen solchen und dass Hamas Terroristen sind sollte nun wirklich hinlänglich bekannt sein.
genau!
Die Schweiz sollte Palästina als unabhängigen Staat anmerkennen.
Bitte unternehmt alles, was möglich ist, damit dieser grauenvolle und zerstörerische, Menschen verachtende Krieg in Gaza so schnell wie möglich beendet wird und benötigtes Material in die Zone gebracht werden kann.
Das Gefühl, (fast) nichts tun zu können, ist schwer zu ertragen.
Ignazio Cassis ist leider der seit vielen Jahren schwächste Bundesrat und als Aussenminister ungeeignet.
Er muss unter Druck gesetzt werden, die Zweistaaten-Lösung zu unterschreiben und zu unterstützen.
Wie das im Gesamtbundesrat aussieht, ist leider nicht bekannt.
kann ich mich 100% anschliessen. Der Mann hat kein Power. Soll besser Schuhe verkaufen.
Frau Käser, was sie schreiben, erachte ich als eine falsche Darstellung. Der brutale Terrorangriff der Hamas am 7.10.2.2023 ist total zu verurteilen und wird in dieser Form auch von sehr sehr vielen Menschen als sehr grausam und unmenschlich dargestellt. Dies war aber nicht der Auslöser des jetzigen Krieges, in dem so viele Kinder, Frauen und andere zivile Personen durch israelische Kriegskräfte – unter der Führung der Regierung Netanjahu’s – getötet, schwersten verletzt und für ein ganzes Leben traumatisierte werden. Verursacht wurde dieser hässliche Krieg durch die radikalen Siedler, die seit Jahren die ‘einfachen’ Häuser der Palästinenser in Westjordanland und im Gaza-Streifen mit kräftigen Baggern dem Erdboden gleich machen und die eingesessenen Palästinenser*innen vertreiben. Un dies mit der überheblichen, selbstherrlichen und so provozierenden Begründung “Gott hat uns!! dies Land versprochen”. Der Film “No Other Land” schildert diese menschenverachtenden Gewalttaten im Detail!
Auch Ihre Beurteilung und Darstellung dieses Krieges ist für viele Menschen eine unverständliche Provokation!!
Natürlich ist der Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 zu verurteilen. Die Tragödie besteht darin, dass die internationale Gemeinschaft bis zum 7. Oktober 2023 Gaza und das endlose Leid des palästinensischen Volkes völlig vergessen hatte. Die Welt hatte das Interesse an einem Volk verloren, das dazu verdammt ist, in einem offenen Gefängnis zu leben, abhängig von den Launen einer Besatzungsmacht, die jeden Aspekt ihres täglichen Lebens kontrolliert. Glaubt man zuverlässigen Quellen, befanden sich Ende 2024 113 palästinensische Minderjährige ohne Anklage in israelischen Gefängnissen. Sie könnten auch als Geiseln betrachtet werden. Es ist eine traurige Wahrheit, aber wie ein österreichischer Journalist es so treffend formulierte: „Die Hamas ist ein Produkt der israelischen Besatzung“. Wäre Palästina ein freies Land, wären Organisationen wie die Hamas überflüssig. Erst nach diesem schicksalhaften Tag im Oktober erinnerte sich die Welt wieder an Palästina.
Wenn der Bundesrat trotz Bedürfnis nach parlamentarischer Debatte und Mitbestimmung die Ansicht vertritt, die Entscheidung liege in der Kompetenz des Bundesrates, missachtet er einmal mehr die Rechte des Parlamentes und damit des Volkes – wie er dies kürzlich auch bei der Diskussion um die Internationalen Grsundheitsvorschriften (IGV) demonstriert hat, als der Bundesrat den klar geäusserten Willen des Parlamentes, darüber mitentscheiden zu wollen, ignoriert und die Annahme der IGV in einer Überraschungsaktion erklärt hat. Insofern überrascht mich die Haltung von Herrn Cassis nicht.
Der Artikel ist neutral gehalten und ok. Es hat einige tolle Kommentare. Was mir hier aber fehlt, sind eine Zustimmungs- und eine Ablehnungsfunktion für die Kommentare.