Druck auf Israel: Wieso die Zweistaatenlösung wichtig ist

Israel verstösst mit seiner Kriegsführung seit bald zwei Jahren gegen das humanitäre Völkerrecht in Gaza. Angesichts des Grauens vor Ort kündigen immer mehr westliche Staaten an, Palästina als eigenständigen Staat anzuerkennen. Die Schweiz gehört nicht dazu. Dabei wäre die Zweistaatenlösung die Basis für einen langfristigen und gerechten Frieden.

Eine Frau mit langem schwarzem Gewand und braun-weißem Blumenschal über dem Kopf stützt sich auf einen Gehstock und geht durch einen engen Korridor aus hohen Metallzäunen. Links im Bild sieht man ein drehkreuzartiges Tor, dahinter einen in olivgrüner Uniform und Helm gekleideten Soldaten. Rechts steht ein weiterer Soldat in Kampfmontur mit Helm und Gewehr, der in Richtung der Kamera blickt. Der Boden ist feucht und mehrere große Betonkugeln sichern die Barrieren an den Seiten.
Ein israelischer Soldat steht Wache an einem Militärkontrollpunkt in der Stadt Hebron im Westjordanland am 24. Februar 2015, während Soldaten eine Demonstration zur Öffnung der Shuhaida-Straße auflösen – ein Gebiet im von Israel kontrollierten Sektor der Stadt. EPA / Abed Al Hashlamoun

Seit Beginn des Kriegs in Gaza hat die internationale Debatte über die Anerkennung des Staates Palästina Aufwind erhalten. Irland, Spanien, Norwegen und Slowenien haben Palästina 2024 offiziell anerkannt. Weitere Länder – darunter Frankreich, Malta, Kanada und wahrscheinlich auch das Vereinigte Königreich, Finnland und Portugal – wollen bald folgen.

Europäische Staaten wehren sich gegen Annexion

Die Gründung Israels geht auf den UN-Teilungsplan von 1947 für das ehemalige Mandatsgebiet Palästina zurück, der gleichzeitig einen Staat für die Palästinenser:innen vorsah. 147 der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen haben einen palästinensischen Staat seither anerkannt. Durch die neusten Ankündigungen würden neu, mit China und Russland, vier der fünf ständigen Mitglieder des UN-Weltsicherheitsrats Palästina als Staat anerkennen. Damit wären die USA das einzige ständige Mitglied, das die Anerkennung weiterhin verweigert.

Nach der Ankündigung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fand Ende Juli in New York eine UN-Sonderkonferenz statt – mit einem klaren Ziel: Die Diskussion um eine Zweistaatenlösung, die seit Netanjahus Rückkehr ins Amt als israelischer Premierminister 2009 zum Stillstand geraten ist, wiederzubeleben. Die Zweistaatenlösung – also ein eigenständiger Staat Israel und ein eigenständiger Staat Palästina – soll entlang der Waffenstillstandslinie von 1949 umgesetzt werden. Diese Grenzen, die bis 1967 Bestand hatten, gelten im Völkerrecht weiterhin als Basis.

Seither wurden besagte Grenzen aber routiniert von Israel missachtet: Immer mehr Gebiete im Westjordanland werden von radikalen jüdischen Siedler:innen – mit Unterstützung der Regierung – gewaltvoll annektiert und kolonisiert. Nun droht in Gaza und im Westjordanland die komplette Annexion. Erst kürzlich hat das israelische Parlament einer Resolution zugestimmt, die eine Annexion des Westjordanlandes durch die rechte Regierung Netanjahus befürwortet. Dieser Entscheid sorgte international für Kritik, denn sie verunmöglicht eine Zweistaatenlösung dauerhaft.

Für Richard Gowan, UN-Direktor der Denkfabrik International Crisis Group, sind die erfolgten Ankündigungen der westlichen Staaten zur Anerkennung eines souveränen Staates Palästina ein wichtiges Signal. Er sagt gegenüber ARD: «Die Europäer zeigen Israel so, dass sie nicht einfach die Annexion der Westbank ankündigen und glauben können, dass das global akzeptiert wird.»

Wo stehen Bundesrat Cassis und die Schweiz?

Obschon sich die Schweiz seit Langem zur Zweistaatenlösung bekennt, will sie Palästina erst unter gewissen Bedingungen als Staat anerkennen. Nämlich dann, wenn es eine umfassende Friedenslösung und einen entsprechenden politischen Fahrplan gemeinsam mit Israel gibt. Damit geht Bundesrat Cassis einen komplett anderen Weg als andere westeuropäische Staaten: Diese wollen durch die Anerkennung Palästinas Druck ausüben, um die Aushungerung der Menschen in Gaza und die drohende Annexion zu stoppen.

Die Anerkennung Palästinas wurde bereits mehrfach im Schweizer Parlament diskutiert – bisher chancenlos. Erst kürzlich debattierte der Nationalrat auf Antrag von SP-Nationalrat Fabian Molina über die Anerkennung Palästinas. Dieser betonte, dass nur eine Zweistaatenlösung auf Basis der Grenzen von 1967 langfristigen Frieden und die Sicherheit Israels und Palästinas garantieren kann. Die rechts dominierte Kammer lehnte den Vorstoss ab. Auch Bundesrat Cassis empfahl das Postulat zur Ablehnung, weil dieser Entscheid nicht in der Kompetenz des Parlaments, sondern des Bundesrats liege. Die Frage ist also: Wird sich die Schweiz bald der internationalen Initiative unserer Nachbarländer anschliessen – oder schaut sie weiterhin nur zu? Der Druck auf den Aussenminister dürfte in den nächsten Wochen weiter steigen.


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