Ökonom zum Systemwechsel Liegenschaftssteuern: «Steuerausfall entspricht 500 Franken pro Haushalt»

Für Ökonom Marius Brülhart ist klar: Vom Systemwechsel bei den Liegenschaftssteuern profitieren vor allem reiche Eigentümer:innen. Zudem erklärt er im Interview, wieso der Eigenmietwert eine gerechtfertigte Steuer ist.

Marius Brülhart, Wirtschaftswissenschafter an der Universität Lausanne. Foto: zvg

«direkt»: Wer profitiert am meisten von der Vorlage?

Marius Brülhart: In erster Linie Eigentümerinnen und Eigentümer von teuren Immobilien mit tiefer Hypothekarbelehnung und wenig Renovationsbedarf. Ab einem Haushaltseinkommen von ca. 150’000 Franken würde man erst recht profitieren, denn dort schenkt die progressive Bundessteuer ganz besonders ein.


«Falls wir den Eigenmietwert abschaffen, brechen jährlich gegen 2 Milliarden Franken an Steuereinnahmen weg. Die Schweiz zählt 4 Millionen Haushalte. Also entspräche der Steuerausfall ungefähr 500 Franken pro Haushalt.»


«direkt»: Wie steht es um Rentner:innen mit niedrigem Einkommen und Familien aus der Mittelschicht?

Marius Brülhart: Auch für sie sind in erster Linie der Wert und Zustand der Immobilie und in zweiter Linie der Umfang der Hypothek ausschlaggebend. Je schicker das Eigenheim und je tiefer die Verschuldung, desto mehr würde man von der Vorlage profitieren. Das gilt für Rentner:innen und mittelständische Familien genauso wie für Gutverdiener:innen. Es kann Situationen geben, wo Menschen mit tiefen Einkommen vom Eigenmietwert empfindlich getroffen werden, zum Beispiel weil sie ein besonders schönes Zuhause geerbt haben. Um eine übermässige Steuerbelastung solcher Menschen insbesondere im Rentenalter zu verhindern, kennen viele Kantone Härtefallregeln, und auch der Bund plant, solche zu erarbeiten.

«direkt»: Sie haben in einem Interview gesagt, die Steuerausfälle aufgrund des Systemwechsels müssten die Haushalte mit 500 Franken pro Jahr auffangen. Die Gegner:innen sagen, das sei unrealistisch. Was stimmt?

Marius Brülhart: Falls wir den Eigenmietwert abschaffen, brechen jährlich gegen 2 Milliarden Franken an Steuereinnahmen weg. Die Schweiz zählt 4 Millionen Haushalte. Also entspräche der Steuerausfall ungefähr 500 Franken pro Haushalt. Dieser Ausfall müsste irgendwie kompensiert werden – entweder indem man andere Steuern erhöht, oder indem man staatliche Leistungen abbaut.

«direkt»: Der Systemwechsel würde Mieter:innen gegenüber Eigentümer:innen benachteiligen. Können Sie erläutern, weshalb der Eigenmietwert für gleich lange Spiesse sorgt?

Marius Brülhart: Ein Eigentümer ist sozusagen Vermieter und Mieter gleichzeitig. Bei Mietobjekten hingegen sind diese beiden Rollen getrennt: Vermieter:innen, die auf ihren Mietzinseinnahmen Einkommenssteuern abzuliefern haben, und Mieter:innen, auf die zumindest ein Teil dieser Belastung überwälzt wird. Es geht beim Eigenmietwert ganz einfach darum, selbstbewohnte Häuser ungefähr gleich zu besteuern wie Miethäuser. Anders gesagt sorgt der Eigenmietwert dafür, dass der Eigentümer eines selbstbewohnten Hauses steuerlich gleichbehandelt wird wie die Kombination von Vermieter und Mieter eines Miethauses.

«direkt»: Die Befürworter:innen des Systemwechsels bezeichnen den Eigenmietwert stets als «fiktives Einkommen». Was sagen Sie dazu?

Marius Brülhart: Es ist ein fiktiver Mietzins, aber ein reales Einkommen. Hier wird sprachlich gerne manipuliert. In der Steuerlehre spricht man auch von einem Naturaleinkommen. Es handelt sich ganz einfach um den Nutzen, den einem das Dach über seinem Kopf beschert.  Man kann diesen Nutzen auch als die Miete, die man dank Eigenheimbesitz nicht bezahlen muss, ausdrücken. Denn wohnen müssen wir ja alle.

«direkt»: Müsste man dann konsequenterweise nicht auch den Nutzen aus anderen langlebigen Gütern besteuern? Zum Beispiel von Autos?

Marius Brülhart: Ein Auto oder eine schöne Polstergruppe bescheren tatsächlich auch einen anhaltenden Nutzen – eben ein Naturaleinkommen. Immobilien sind allerdings ungleich wertvoller und langlebiger als alle anderen dauerhaften Güter. Deshalb ist die Eigenmietwertbesteuerung den damit verbundenen Verwaltungsaufwand wert, während eine entsprechende Besteuerung von Autos oder Möbeln völlig unverhältnismässig wäre.


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