Sophie Fürst: «Unserem Planeten geht es nicht gut.»

Am 9. Februar stimmen wir über die Umweltverantwortungsinitiative ab. Die Forderung: Die Schweiz muss die planetaren Grenzen respektieren. Im Interview mit «direkt» erklärt Sophie Fürst von Greenpeace das Konzept der planetaren Grenzen und warum es die Umweltverantwortungsinitiative braucht.


Die Umweltverantwortungsinitiative aus der Feder der Jungen Grünen fordert, dass die Schweiz die planetaren Grenzen respektiert. Doch was verstehen wir unter planetaren Grenzen eigentlich genau? «direkt» hat bei Sophie Fürst von Greenpeace Schweiz nachgefragt.

«direkt»: Frau Fürst, wie geht es unserem Planeten heute?

Sophie Fürst: Die Bilder von Umweltkatastrophen in den News zeigen, wie schlimm es um den Planeten steht. Wir nutzen unser Land falsch, konsumieren zu viel. Wir verzeichnen einen Biodiversitätsverlust und das Klima verändert sich rasend schnell. Die Folgen sind offensichtlich: Unserem Planeten geht es nicht gut.

«direkt»: Wir hören in der Schweiz oft vom ökologischen Fussabdruck. Das Konzept der planetaren Grenzen ist vielen weniger bekannt. Können Sie uns erklären, worum es dabei geht?

Sophie Fürst: Beim Konzept der planetaren Grenzen geht es um konsumbasierte Umweltbelastungen. Die planetaren Grenzen umfassen neun Dimensionen, darunter Klima, Biodiversitätsverlust und Wasserverbrauch. Dabei geht es nicht um das Konsumverhalten einzelner Menschen, sondern um den ganzen Planeten und darum, ob seine Belastungsgrenzen in diesen Dimensionen überschritten werden.

«Am stärksten überschreiten wir die Dimension der Klimaveränderung: Sie liegt 19-mal über der planetaren Belastbarkeitsgrenze – das ist bedrohlich.»

«direkt»: Die Klimakrise spitzt sich weiter zu. Welche Vorteile bietet das Konzept der planetaren Grenzen gegenüber anderen Ansätzen?

Sophie Fürst: Das Konzept der planetaren Grenzen zeigt sehr deutlich, in welchen Bereichen wir die Belastbarkeitsgrenzen überschreiten. Besonders überzeugend finde ich, dass der Fokus auf dem Gesamtkonsum liegt. Statt nur den individuellen Konsum zu betrachten, verfolgt das Konzept einen systemischen Ansatz. Es macht klar, dass wir als Gesellschaft anders wirtschaften und konsumieren müssen, um innerhalb der planetaren Grenzen zu bleiben.

«direkt»: Wie sieht es in der Schweiz in Bezug auf die planetaren Grenzen aus?

Sophie Fürst: Greenpeace hat eine Studie in Auftrag gegeben, um die Überschreitungen der planetaren Grenzen in der Schweiz zu untersuchen. Am stärksten überschreiten wir die Dimension der Klimaveränderung: Sie liegt 19-mal über der planetaren Belastbarkeitsgrenze – das ist bedrohlich. Aber auch der Verlust der Biodiversität und desr Wasserverbrauch liegen ausserhalb der Grenzen.

«direkt»: Was halten Sie von der Umweltverantwortungsinitiative?

«Es geht um die Gestaltung einer Wirtschaft, die ein gutes Leben für alle ermöglicht und nicht nur den Profit für wenige. Das ist durchaus möglich, und zwar innerhalb der planetaren Grenzen.»

Sophie Fürst: Ich werde natürlich Ja stimmen. Ich finde es sehr wichtig, dass auch über einen Systemwandel gesprochen wird. Es geht darum, die Wirtschaft kritisch zu hinterfragen. Wir müssen diskutieren, wie wir sie verbessern und umgestalten können, so dass wir die planetaren Grenzen einhalten. Wir von Greenpeace setzen uns für eine andere Art von Wirtschaft ein, weil wir überzeugt sind, dass eine Welt möglich ist, in der es allen gut geht – auch innerhalb der planetaren Grenzen.

«direkt»: Wäre ein solches Leben nicht mit massivem Verzicht verbunden?

Sophie Fürst: Nicht unbedingt. Es geht nicht um massive Einschränkungen, sondern vielmehr um eine Umstellung des Systems, beispielsweise hin zu einer tatsächlichen Zirkularwirtschaft. Es geht darum, Produkte reparierbar zu machen und das Prinzip «weniger ist mehr» zu fördern. Viele Ansätze und Effizienzkonzepte existieren bereits. Mit der Initiative könnten wir deren Umsetzung beschleunigen.

«Wohlstand muss neu definiert werden. Was brauchen wir wirklich, um ein gutes Leben zu führen? Vielleicht finden wir dadurch auch wieder zu einem bescheideneren und bewussteren Umgang mit unseren Ressourcen zurück!»

«direkt»: Die Gegner:innen behaupten, die Initiative führe zu einer Verarmung der Gesellschaft. Was entgegnen Sie diesen?

Sophie Fürst: Das ist falsch. Es geht hier um die Frage, wie wir wirtschaften. Es geht um die Gestaltung einer Wirtschaft, die ein gutes Leben für alle ermöglicht und nicht nur den Profit für wenige. Das ist durchaus möglich, und zwar innerhalb der planetaren Grenzen.

«direkt»: Wie sehen Sie die Zukunft der Schweiz bei einer Annahme der Umweltverantwortungsinitiative?

Sophie Fürst: (lacht) Schön! Ich wage nicht, davon zu träumen, da die Umfragewerte leider etwas anderes vermuten lassen. Aber ich würde mich sehr darüber freuen, wenn insbesondere die Gesamtwirtschaft mehr Verantwortung übernehmen würde. Es darf nicht primär um Profit gehen, sondern um Nachhaltigkeit. Zum Beispiel sollten wir alle nur noch erneuerbare Energie nutzen und es müssen Versorgungssysteme geschaffen werden, die für alle da sind. Wohlstand muss neu definiert werden. Was brauchen wir wirklich, um ein gutes Leben zu führen? Vielleicht finden wir dadurch auch wieder zu einem bescheideneren und bewussteren Umgang mit unseren Ressourcen zurück!

Planetare Grenzen kurz erklärt

Die planetaren Grenzen sind ökologische Belastungsgrenzen, innerhalb derer das Leben auf der Erde langfristig erhalten werden kann. Sie beschreiben die natürlichen Limits der Erde in Bezug auf verschiedene Umweltbereiche, wie z. B. Klimawandel, Verlust der Biodiversität, Süsswasserverbrauch und chemische Verschmutzung. Werden diese Grenzen überschritten, steigt das Risiko, dass Ökosysteme destabilisiert und lebenswichtige Prozesse wie saubere Luft, Wasser oder fruchtbare Böden gefährdet werden. Das Konzept wurde entwickelt, um nachhaltiges Handeln und eine gesunde Balance zwischen Mensch und Natur zu fördern.


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