UN-Atomwaffenverbotsvertrag zeigt Weg aus Aufrüstungsspirale

Die Gruppe für Schweiz ohne Armee (GSoA) hat zusammen mit einer breit aufgestellten Allianz die Atomwaffenverbots-Initiative lanciert. Damit will sie den Bundesrat dazu bringen, den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen. «direkt» hat bei Roxane Steiger, politische Sekretärin bei der GSoA, nachgefragt, warum es diese Initiative braucht.

Foto: Jana Leu (liveit.ch)
«direkt»: Die GSoA hat zusammen mit anderen Organisationen die Atomwaffenverbots-Initiative lanciert. Diese fordert vom Bundesrat, dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten.  Bisher haben 93 Staaten den Vertrag unterzeichnet, darunter Irland, Österreich und Malta. Auffallend viele Staaten des globalen Südens haben den Vertrag unterzeichnet. Warum?

Roxane Steiger: Die Staaten, die Atomwaffen besitzen, lassen sich an zwei Händen abzählen. Da besteht eine extreme Machtkonzentration. Die meisten Staaten des globalen Südens gehören da nicht dazu. In der UNO haben sich deshalb jene Staaten für den Atomwaffenverbotsvertrag zusammengeschlossen, die mit den Folgen zu kämpfen haben, die die Entscheidungen der Nuklearmächte auslösen. Sie wollen sich für eine gerechtere und sicherere internationale Ordnung einzusetzen. Hinzu kommt das Problem der Uranförderung: Diese verursacht in vielen Ländern des globalen Südens gravierende Umweltschäden. Auch die Menschen, meistens Indigene, werden viel zu wenig vor der radioaktiven Strahlung geschützt. Diese Probleme anerkennt der Atomwaffenverbotsvertrag und sieht Unterstützungsmassnahmen vor.

Roxane Steiger von der GSoA. Foto: Jana Leu (liveit.ch)

«Der Atomwaffenverbotsvertrag ist ein Paradigmenwechsel. Denn er zeigt einen Weg aus der derzeitigen Aufrüstungsspirale. Viele internationale Abkommen brechen mit den aktuellen Kriegen zusammen.»

«direkt»:  Welche Folgen hätte ein Schweizer Beitritt zum Vertrag auf internationaler Ebene und für die Schweiz?

Roxane Steiger: Die Schweiz müsste alle ihre Tätigkeiten in Bezug auf Atomwaffen stoppen. Als neutrales Land und Depositarstaat der Genfer Konventionen sehen wir die Schweiz hier in besonderer Verantwortung. Würde die Schweiz dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten, könnte sie damit einen direkten Beitrag zur einer langfristigen und nachhaltigen Sicherheitsarchitektur auf der Welt leisten. Die Befürchtung, dass mit einer Unterzeichnung die Zusammenarbeit mit der Nato gefährdet wird, widerlegt der Beitritt Österreichs. Österreich ist ebenfalls ein neutraler Staat. Die Unterzeichnung des Vertrags hatte keinen Einfluss auf die militärische Zusammenarbeit mit der Nato.

«direkt»: Warum ist der Atomwaffenverbotsvertrag wichtig?

Roxane Steiger: Der Atomwaffenverbotsvertrag ist ein Paradigmenwechsel. Denn er zeigt einen Weg aus der derzeitigen Aufrüstungsspirale. Viele internationale Abkommen brechen mit den aktuellen Kriegen zusammen. Putin droht aktiv mit dem Einsatz von Atomwaffen. Gerade in einer Zeit, in der die Bedrohung durch Atomwaffen wieder steigt, ist ein klares Bekenntnis zur Notwendigkeit und Stärkung von nuklearer Abrüstung dringender und wichtiger denn je, um Friedensbemühungen voranzubringen.

«direkt»: Die jetzigen Atommächte machen im Moment nicht mit. Ist der Vertrag darum nicht sowieso wirkungslos?

Roxane Steiger: Abrüstung braucht Zeit. Das zeigt das Beispiel der chemischen und biologischen Waffen. Diese werden mittlerweile von vielen Staaten geächtet – auch von der Schweiz. Ausgehend von den humanitären Konsequenzen haben zunächst jene Staaten ein völkerrechtliches Verbot formuliert, die nicht im Besitz solcher Waffen waren. Daraus entstand normativer, rechtlicher und politischer Druck. Das hat auch die Besitzerstaaten zur Abrüstung gebracht. Es war ein langer, aber wichtiger Prozess. Deshalb ist es auch bei den Atomwaffen wichtig, dass sich möglichst viele Staaten dem Vertrag anschliessen.

«Kaum jemand findet Atomwaffen gut. Beim Unterschriftensammeln sind die Menschen oft sehr empört darüber, dass die Schweiz den Vertrag nicht schon längst unterzeichnet hat.»

«direkt»: In der Allianz der Initiative ist auch die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN). Die Organisation erhielt den Friedensnobelpreis für ihr Engagement gegen Atomwaffen. Welche Rolle spielen sie bei der Initiative?

Roxane Steiger: ICAN hat bei der Aushandlung des Vertrages mitgewirkt. Die Organisation versucht in möglichst allen Staaten eine Kampagne zu starten, damit diese den Vertrag unterzeichnen. So war es auch in der Schweiz. ICAN ist mit der Idee einer Volksinitiative auf uns zugekommen, da alle Mittel ausgeschöpft waren, um den Bundesrat zum Beitritt zu bringen. Nun teilen wir gemeinsam mit weiteren Partnerorganisationen das Präsidium der Allianz für ein Atomwaffenverbot. Wir können von der grossen Expertise von ICAN nur profitieren.

«direkt»: Welche Chancen rechnet Ihr Euch mit der Initiative aus?

Roxane Steiger: Die Initiative wird gute Chancen haben. Kaum jemand findet Atomwaffen gut. Beim Unterschriftensammeln sind die Menschen oft sehr empört darüber, dass die Schweiz den Vertrag nicht schon längst unterzeichnet hat. Viele sehen die Schweiz auch aufgrund ihrer humanitären Tradition in der Pflicht.

Das will die Atomwaffenverbots-Initiative

Mit der Atomwaffenverbots-Initiative wird der Bundesrat aufgefordert, den UN-Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen. Der Vertrag verbietet Staaten Atomwaffen zu entwickeln, zu testen, zu produzieren und zu besitzen. Zudem wird auch die Weitergabe, die Lagerung, der Einsatz und die Drohung mit Atomwaffen verboten. Staaten, die sich nicht daranhalten, dürfen in diesen Aktivitäten nicht unterstützt werden.

Die Initiative wird von einer breiten Allianz unterstützt. Neben verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen sind mit der glp, der EVP und der Mitte politische Parteien bis weit über das linke Spektrum hinaus vertreten. Auch alt SP-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey ist Mitglied im Initiativkomitee.

 


 

1 Kommentar

  1. Die Schweiz sollte selbstverständlich den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen. Allerdings wäre es dämlich wenn USA, GB und FR ihre Atomwaffen vernichten. Wer steht dann solchen Verbrechern wie Putin noch entgegen?

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