Umweltminister Albert Rösti will dem Wolf an den Kragen. Auf dem Verordnungsweg ermöglicht er, dass die Grossraubtiere rudelweise abgeschossen werden können – dies bereits präventiv. Diese Verordnungsänderung widerspricht jedoch dem Jagdgesetz. Das vermehrte, vorbeugende Abschiessen von ganzen Wolfsrudeln ist darin nicht vorgesehen. Obwohl die Verordnung dem Jagdgesetz widerspricht, trat sie im Schnellzugstempo bereits Anfang Dezember in Kraft.
Dagegen formiert sich nun an mehreren Fronten Widerstand: Die Organisationen CHWolf und Avenir Loup Lynx Jura (ALLJ) haben im November eine Beschwerde gegen diese Art der Wolfsjagd beim Europarat eingereicht. Kern der Klage ist, dass die Schweiz mit dieser Wolfsjagd die ratifizierte «Berner Konvention» nicht einhält. Gemäss den Vorgaben der Konvention ist der Wolf streng geschützt. Der Entscheid des Europarates steht noch aus.
Zudem haben im Wallis und im Graubünden Umweltverbände eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht. Beide Kantone haben die Wolfsjagd daraufhin vorübergehend gestoppt. Nun haben auch einige Mitglieder der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrats eine Untersuchung des Vorgehens von Bundesrat Rösti gefordert.
Demokratiepolitisch problematisches Vorgehen
2020 hat eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung gegen das revidierte Jagdgesetz gestimmt. Der Grund: Das Gesetz sollte präventive Abschüsse von Wölfen ermöglichen. Daraufhin musste das Parlament über die Bücher. Entstanden ist ein Kompromiss, mit dem auch Naturschutzorganisationen leben können.
Die neue Jagdverordnung von Rösti, die die Umsetzung dieses Jagdgesetzes regelt, widerspricht aber dem Gesetz. Beispielsweise findet die Pflicht zu zumutbarem Herdenschutz in der Verordnung keine Erwähnung. Zudem sieht sich Rösti mit dem Vorwurf konfrontiert, das Vernehmlassungsgesetz missachtet zu haben. So wurde die SP nach eigenen Angaben gar nicht zur Stellungnahme eingeladen.
Keine wissenschaftliche Grundlage
Neben dem demokratiepolitisch höchst fragwürden Vorgehen des SVP-Bundesrats widerspricht Röstis Jagdverordnung gemäss den Aussagen von Umweltorganisationen auch wissenschaftlichen Grundlage. So braucht es zum Beispiel eine gewisse Anzahl an Rudeln für eine gesunde genetische Vielfalt der Wolfspopulation. Bisher sprach das Bundesamt für Umwelt von mindestens 20 Rudeln. Neu könnte die Wolfspopulation aber von aktuell 31 Rudeln auf 12 Rudel reduziert werden. Die Kommission für Wald, Wildtiere und Landwirtschaft (KWL), der die kantonalen Jagddirektor:innen angehören, bezeichnet diese Anzahl in einer Stellungnahme zur neuen Jagdverordnung als «Willkür». Die KWL forderte deshalb, dass der Schwellenwert gesamthaft auf mindestens 20 bis 25 Rudel festgelegt wird.
Umweltverbände kritisieren zudem, dass in der Verordnung der starke Rückgang der Wolfsrisse im Alpsommer 2023 nicht berücksichtigt wurden. Dies habe nämlich mit der Etablierung der Wolfpopulation zu tun, die sich territorial besser organisiert habe. Auch pikant: 80 Prozent der Risse betrafen Tiere aus Herden ohne Herdenschutz. Gemäss Jagdgesetz ist ein zumutbarerer Herdenschutz Pflicht. Mit der neuen Verordnung werden jedoch ganze Wolfsrudel zum Abschuss frei gegeben, ohne den Herdenschutz überhaupt in Erwägung zu ziehen.
GPK-Mitglieder wollen Untersuchung
SP-Nationalrätin Gabriela Suter beantragt in der Geschäftsprüfungskommission nun eine Untersuchung der «widerrechtlichen Abschussverordnung», sagte sie gegenüber Blick. Auch andere GPK-Mitglieder äussern sich dahingehend. Zudem hat SP-Nationalrätin Martina Munz in der Wintersession eine Interpellation eingereicht, in der sie eine Übersicht der Herdenschutzmassnahmen und Wolfsrisse verlangt.