«Wenn mehr Menschen mit tiefem und mittlerem Lohn entlastet werden, ist das nur richtig.»

Die Prämien belasten das Haushaltsbudget immer stärker. Ein pensionierter Briefträger und eine Familie erzählen, wie es ihnen mit der Prämienlast geht und was ein Ja zur Prämien-Entlastungs-Initiative am 9. Juni für sie bedeuten würde.

Sarah Thomas aus Bern mit ihrem Sohn. Foto: zVg

Die Krankenkassenprämien kennen nur eine Richtung: nach oben. Das belastet nicht nur Rentner:innen und Menschen mit tiefen Einkommen, sondern auch den Mittelstand und Familien. Der pensionierte Briefträger Ueli Schärrer und die Senior-Marketing-Managerin Sarah Thomas haben mit «direkt» über ihre persönliche Situation gesprochen.

Sarah Thomas, Senior-Marketing-Managerin, 32 Jahre

Niemand soll mehr als acht Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien bezahlen – das versprachen die Bürgerlichen, als in den 1990er-Jahren die obligatorische Krankenversicherung eingeführt wurde. «Eingehalten haben sie dieses Versprechen nicht», so Sarah Thomas, «und darum muss jetzt etwas geschehen!»

«Was ist in fünf Jahren, wenn die Prämien weiterhin so stark steigen?»

Sarah Thomas bezeichnet ihre Situation als «privilegiert». Ihr Mann arbeitet als Software-Entwickler, sie verdient den Lebensunterhalt als Senior-Marketing-Managerin. Nach der Geburt des Sohnes vor einem Jahr haben beide das Pensum reduziert – während ihre Prämienlast im selben Zeitraum um satte elf Prozent gestiegen ist. Aktuell bezahlen sie rund 1000 Franken für die Krankenkassenprämien für die ganze Familie. Sie hat eine Franchise von 2500 Franken, er eine von 300 Franken. Gerechnet mit der Standard-Prämie wären das 12,6 Prozent des Einkommens.*

«Das ganze System krankt.»

«Jetzt geht das noch. Aber was ist in fünf Jahren, wenn die Prämien weiterhin so stark steigen?», fragt Sarah Thomas. Dann wird es vielleicht auch für sie eng mit Miete und Kita-Kosten – trotz guter Ausbildung und überdurchschnittlichem Lohn.

«Das ganze System krankt», sagt Sarah Thomas: Angefangen beim Wettbewerb zwischen den Krankenkassen über die Idee, dass Gesundheit ausschliesslich eine Frage der Eigenverantwortung sei, bis hin zur Kopfprämie. Sie betont: «Neben den Niederlanden kennt kein anderes europäisches Land ein so unsolidarisches System wie die Schweiz.» Damit der Mittelstand wenigstens ein bisschen entlastet wird, stimmen Sarah Thomas und ihr Partner Ja zur Prämien-Entlastungs-Initiative. Sie sieht darin «einen wichtigen Schritt hin zu einer solidarischeren Gesellschaft».

Ueli Schärrer, Rentner, 71 Jahre

Rentner Ueli Schärrer aus Jens. Foto: zVg

«Wenn ich krank werde und ins Spital muss, dann habe ich ein Problem», sagt Ueli Schärrer. Der 71-jährige Rentner aus Jens im Kanton Bern hat bis zu seiner Pensionierung als Briefträger bei der Post gearbeitet. Er mietet zusammen mit seiner Partnerin ein kleines Stöckli und erhält jeden Monat 3630 Franken Rente aus AHV und Pensionskasse.

«Wer krank wird, hat doch schon genug andere Sorgen.»

Um Kosten zu sparen, hat Schärrer eine Franchise von 2500 Franken gewählt. Hinzu kommen noch 700 Franken Selbstbehalt, macht total 3200 Franken. Wenn er ernsthaft krank wird, muss er fast eine ganze Monatsrente für die Behandlungskosten aufwenden. «Das gibt mir schon zu denken,» so Schärrer. Er hat einige Bekannte, die kürzlich ins Spital mussten. Es macht ihn «hässig», dass sich das viele Leute nicht mehr leisten können, ohne sich zu verschulden: «Wer krank wird, hat doch schon genug andere Sorgen.» Für Schärrer ist darum klar: «Natürlich werde ich der Prämien-Entlastungs-Initiative am 9. Juni zustimmen.»

Schärrer bezahlt heute 400 Franken für seine Prämie. Er blickt zurück: «Als ich 20 Jahre alt war, waren es noch 24 Franken.» Auch wenn die Versicherung damals nur weniger abdeckte, sind seither die Prämien stetig und steil angestiegen. Mit der Standard-Prämie gerechnet, fliessen heute 15,6 Prozent seiner Rente an die Krankenkassen ab.* Bei einer Annahme der Prämien-Entlastungs-Initiative würde seine Prämie auf maximal zehn Prozent der Rente gedeckelt.  So könnte er sich auch eine tiefere Franchise leisten und müsste sich nicht mehr davor fürchten, krank zu werden.

«Es ist einfach nicht richtig, dass alle gleich viel für ihre Prämien bezahlen müssen.»

Ueli Schärrer wird nicht nur Ja stimmen, weil er von der Initiative profitieren könnte. In seinen Augen ist auch die Kopfprämie ein Problem. «Es ist einfach nicht richtig, dass alle gleich viel für ihre Prämien bezahlen müssen», sagt er und schaut aus dem Fenster auf die Villen am Hang vor dem Stöckli. «Wenn mehr Menschen mit tiefem und mittlerem Lohn entlastet werden, ist das nur richtig.» So wäre zumindest ein Teil der Kosten ein Stück weit vom Einkommen abhängig.

* Die Prämienbelastung wurde mit dem Prämienrechner von Radio Télévision Suisse berechnet. Die Standardprämie entspricht dem Preis, den eine erwachsene Person mit einer Franchise von 300 Franken, mit Unfalldeckung und ohne Einschränkung der Leistungserbringer für die obligatorische Krankenpflegeversicherung zahlen muss.

 

3 Kommentare

  1. Die Enttäuschung über die Machtlosigkeit der Politik angesichts der unsozialen Entwicklung der Krankenversicherungsprämien muss mit einem JA zur Prämienentlastungsinitiative beendet werden.

  2. Ich hoffe nur, dass die Menschen, die bereits heute eine Prämienverbilligung beziehen, sich mit den Befürwortern der Prämienentlastungsinitiative solidarisch zeigen und nicht nur an sich denken. Mit der Entlastungsinitiative wrid auch ein Weg geebnet, dass die zusätzlichen Gesundheitskosten, zuerst in der Gesundheitskommission und weiter oben geprüft werden bevor sie an die Bevölkerung weitergegeben werden.
    Fact ist auch, dass ein grosser Teil der Bevölkerung Parteien gewählt hat, die sich nach den Wahlen einen Deut um das Wohlergehen breiter Bevölkerungsschichten scheren.
    Leider hat die SVP im letzten Herbst viele Sitze zu Lasten der Grünen gewonnen und wird so leider in den nächsten vier Jahren die Bundespolitik zu fest zu Ungunsten des Volkes mitbestimmen. Wird die Prämienentlastungsinitiative nicht angenommen, traue ich dem Bundesrat und den Kantonalen Parlamenten nicht, dass die Bürgerliichen etwas gegen die zu hohen Krankenkassenprämien unternehmen. Wir Linken dürfen dann auch noch schauen, dass sie wenigstens Ihre Versprechungen einhalten!!!
    Die Kostenbremse der Mitte ist eine Zweiklassenrechnung. Wir laufen Gefahr, dass viele Leistungen nicht mehr von den Kassen bezahlt werden und sie Otto Normalbürger selber aus dem eigenen Geldbeutel bezahlen muss.
    Und zu guer Letzt: der Kanton Luzern ist selber gegen den Gegenvorschlag des Bundesrates gegen die Entlastungsprämie, weil sie für den Kanton zu teuer sei und der Kanton eine von den tiefsten Krankenkassenprämien aufweise, sagt gerade die Mittevertreterin Manuela Tschuor. Gerade der Kanton Luzern, der vor einigen Jahren vom Bungesgericht gerügt wurde, auf Antrag aus SP-Kreisen, dass er zu wenig Prämienverbilligung ausschütte!!!!

  3. «Das ganze System krankt.»
    Genau! Mittlerweile habe auch ich die höchste Franchise gewählt.Ich werde gezwungen die Prämien zu bezahlen auch wenn meine anfallenden Gesundheitskosten (gesunder Lebensstil,Zahnarzt,Ayurvedische Medizin)von keiner Kasse übernommen werden. Es ist meine freie Wahl auf dieses System zu verzichten. Mit den von mir bezahlten Prämien wären diese Kosten allerdings besser tragbar. Mit einem JA zur Prämienentlastungsinitiave auch.

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