Vom breit abgestützten Kompromiss zur Abbau-Vorlage: Wie es zur missratenen Pensionskassen-Vorlage kam

Das Parlament hat heute die Pensionskassen-Vorlage verabschiedet. Nach der Zerschlagung des Sozialpartner-Kompromiss durch die bürgerlichen Parteien, soll gemäss SP und Gewerkschaften die Stimmbevölkerung das letzte Wort zur Vorlage haben. Sie ergreifen das Referendum. Was vom langen Ringen und den grossen Versprechen übrigbleibt, ist eine teure Vorlage, die Rentenkürzungen bringt. Selbst bürgerliche Verbände und die Schweizerische Kammer der Pensionskassen-Experten raten von der Vorlage ab. Wie es dazu kam in drei Akten.

Foto: Christian Beutler (Keystone)

Die Pensionskassen-Vorlage hatte drei Ziele: Die Renten garantieren, die Finanzierung sichern und die Pensionskassen-Renten der Frauen verbessern. Was vom Versprechen – auch von den bürgerlichen Parteien – übrigbleibt, ist ein Scherbenhaufen. Ein Politschauspiel in drei Akten.

 Akt 1  Die Zerschlagung des Kompromisses

Eine breit abgestützte Lösung zur Reform der zweiten Säule lag auf dem Tisch: Der Schweizerische Gewerkschaftsbund, Travail.Suisse und der Arbeitgeberverband erarbeiteten gemeinsam den Sozialpartnerkompromiss. Dieser Kompromissvorschlag bestand im Kern aus drei Elementen: Die Senkung des Umwandlungssatzes, Rentenzuschläge und eine Modernisierung des Sparprozesses. So wäre das heutige Leistungsniveau der PK-Renten erhalten geblieben und Personen im Niedriglohnbereich sowie Teilzeitarbeitnehmende – vorneweg also vor allem Frauen – hätten eine bessere berufliche Vorsorge aufbauen können. Dieser Kompromissvorschlag wurde zwar vom Bundesrat telquel übernommen, fand jedoch keine Mehrheit im Parlament. Vielmehr zerzausten die Bürgerlichen die Vorlage, zurück bleibt nun eine zusammengebastelte Reform, die viel kostet und zu Rentensenkungen führt.

Gerade die SP stand vorbehaltlos hinter dem Sozialpartnerkompromiss und ging dafür Konzessionen ein. Zudem bot sie nicht zuletzt auch während der Verhandlungen in den Kommissionen mit konkreten Vorschlägen Hand für eine ausgewogene Vorlage. Diese Vorschläge blieben von bürgerlicher Seite jedoch ungehört. Deshalb kündeten linke Parteien und Gewerkschaften bereits während der Beratungen an, dass sie eine teure Vorlage, die zu sinkenden Renten und tieferen Netto-Einkommen führt, mit dem Referendum bekämpfen werden.

 Akt 2  Das Versprechen an die Bevölkerung

Das Kernelement der Reformvorlage AHV21 war die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre. Die Linken stellten sich gegen diese Reformvorlage, weil die Frauenrenten auch heute noch deutlich tiefer sind als jene der Männer. Die AHV-Vorlage belastete Frauen mit harten Jobs und tiefen Löhnen gleich doppelt. Die Rechten versprachen hingegen, das Problem der schlechten Rentensituation der Frauen bei der beruflichen Vorsorge anzugehen. Doch die bürgerliche Mehrheit im Parlament schob die Reform auf die lange Bank. SRF fragte sich gar, ob die vorberatende Ständeratskommission überfordert sei mit der Vorlage. Die Stimmbevölkerung wusste daher bei der Abstimmung um die AHV21 nicht, ob sich die Rentensituation der Frauen mit der neuen Pensionskassen-Vorlage tatsächlich verbessern wird. Hinzu kommt, dass die drohende Altersarmut von Frauen in der allgemeinen Berichterstattung zur AHV21-Abstimmung zu wenig thematisiert wurde.

Jetzt ist klar: Die nun verabschiedete Vorlage erfüllt die Versprechen aus dem AHV21-Abstimmungskampf nicht.

 Akt 3  Abbauvorlage statt breit abgestützter Kompromiss

Heute wurde in der Schlussabstimmung der Frühjahrssession im eidgenössischen Parlament die Pensionskassenreform besiegelt. Neben den linken Parteien und Gewerkschaften haben im Vorfeld auch bürgerliche Verbände grosse Bedenken gegenüber der Vorlage geäussert und die Parlamentsmitglieder gebeten, die Reform abzulehnen. Der Präsident des Bauernverbandes Markus Ritter sprach von einer riesigen Belastung für Menschen mit tiefen Einkommen und sagte etwa gegenüber SRF:

«Wir haben das gesunde Mass verloren. Wir sind deutlich zu weit gegangen. Man hätte hier einen Mittelweg gehen sollen, wie wir es zusammen mit 40 anderen Organisationen unter anderem mit dem Schweizer Gewerbeverband empfohlen haben.»

Auch die Schweizerische Kammer der Pensionskassen-Experten hat in einem offenen Brief an das Parlament dazu aufgerufen, die Vorlage in der Schlussabstimmung abzulehnen und eine neue anzupacken. Widerstand wächst auch in den Wirtschaftsbranchen wie dem Gast- und Hotelleriegewerbe. Dennoch hat die bürgerliche Mehrheit im Parlament der Vorlage heute zugestimmt. Gewerkschaften und SP ergreifen nun das Referendum gegen die Abbauvorlage.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein