Wachsender Zuspruch für Mindestlöhne

Die Zustimmung für einen gesetzlichen Mindestlohn wächst. 2014 hat die Stimmbevölkerung eine entsprechende Initiative noch haushoch abgelehnt. Seither haben mehrere Kantone einen Mindestlohn eingeführt. Auch in einzelnen Städten wurde ein Mindestlohn an der Urne angenommen. Weitere Initiativen kommen bald zur Abstimmung.

Foto: Liliana Drew (Pexels)

Ein Lohn, der zum Leben reicht: Was selbstverständlich klingt, ist in Realität oft nicht der Fall. Während unsere Nachbarländer längst einen gesetzlichen Mindestlohn kennen, gibt es in der Schweiz kein entsprechendes Gesetz. Dies, obschon Mindestlöhne gemäss Caritas Schweiz ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Armut sind. In der Schweiz leben 298’000 Menschen als Working Poors. Das heisst, sie leben trotz Arbeit in Armut.

Kantonale und kommunale Erfolge

2014 hat die Stimmbevölkerung die Einführung eines nationalen Mindestlohns noch mit über drei Viertel der Stimmen abgelehnt. Nun hat das Anliegen auf kantonaler und lokaler Ebene aber offenbar Chancen. Die Kantone Genf, Neuenburg, Jura, Basel-Stadt und Tessin haben bereits einen gesetzlichen kantonalen Mindestlohn eingeführt. In Solothurn und Baselland hat die Stimmbevölkerung Anfang Februar entsprechende Initiativen nur knapp abgelehnt. In Solothurn haben 41,9 Prozent zugestimmt, in Baselland gar 48,6 Prozent. Auch in Fribourg und im Wallis sind entsprechende Initiativen für einen Mindestlohn unterwegs.

Gewerbeverband verhindert städtischen Mindestlohn

Auch auf kommunaler Ebene gibt es Bestrebungen Mindestlöhne einzuführen. In den Städten Zürich und Winterthur hat die Stimmbevölkerung entsprechenden Vorlagen bereits deutlich zugestimmt. Die effektive Implementierung eines Mindestlohns von 23.90 Franken pro Stunde in Zürich und 23 Franken pro Stunde in Winterthur wird nun aber durch Beschwerden von verschiedenen Wirtschaftsverbänden blockiert. Das Verwaltungsgericht des Kantons hat die Beschwerden gutgeheissen, weil ein kommunaler Mindestlohn nicht mit kantonalem Recht vereinbar sei. Die Initiant:innen haben das Urteil nun ans Bundesgericht weitergezogen.

Gleichzeitig haben sich Initiativkomitees aus Parteien, Gewerkschaften und Hilfswerken in den Städten Bern, Biel und Schaffhausen von der Beschwerde nicht beirren lassen: Auch dort wurden Initiativen mit der Forderung nach einem städtischen Mindestlohn eingereicht. In der Stadt Bern hat der Gemeinderat die Initiative bereits für gesetzeskonform erklärt: Ein kommunaler Mindestlohn sei mit kantonalem Recht vereinbar.

Positiver Effekt wissenschaftlich belegt

Wer von seinem Lohn leben kann, braucht weniger Unterstützung durch den Staat. Damit werden die Sozialwerke entlastet, denn diese müssen nicht mehr für die Hungerlöhne der Privaten einspringen – so die Argumentation der Befürworter:innen. Bürgerliche Politiker:innen hingegen stellen sich gerne vor Unternehmen, die Tiefstlöhne auszahlen. Sie behaupten, dass Mindestlöhne zu mehr Arbeitslosigkeit führen und schädlich für die Wirtschaft seien. Doch die Forschung sagt etwas anderes: Gemäss Michael Siegenthaler, Leiter des Forschungsbereichs Arbeitsmarkt bei der Konjunkturforschungsstelle KOF gibt es hunderte Studien zu den Beschäftigungseffekten. Verdikt: Mindestlöhne führen zu keinem Arbeitsplatzabbau.

Gegenüber «direkt» sagt Siegenthaler, dass Mindestlöhne am unteren Ende der Lohnskala einen effektiven Anstieg der Löhne bewirkten. «Die Forschung zeigt auch, dass die Umsetzung recht gut funktioniert. Die Menschen erhalten einen höheren Lohn und verlieren ihre Stelle nicht», so Siegenthaler. Besonders Frauen profitierten davon, denn sie arbeiten überdurchschnittlich häufig in Tieflohnbranchen.

Kommunale Initiativen bereiten Weg für nationale Regelungen

Dass der Weg zu einem gesetzlichen Mindestlohn über die Kantone und Gemeinden führt, ist nicht unüblich. Wichtige sozialpolitische Errungenschaften wurden bereits früher zuerst über die Kantone und Gemeinden eingeführt, bis sie dann einer nationalen Regelung wichen. Beispiele dafür sind das Frauenstimmrecht oder die Mutterschaftsversicherung. Der Mindestlohn würde sich damit einreihen – sofern es wieder zu einer nationalen Initiative kommen sollte.


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