«Die Medikamentenpreise sind viel zu tief», klagte Novartis-CEO Vasant Narasimhan im Interview mit der NZZ Ende September. Die Pharmaunternehmen seien von hohen Produktions- und Forschungskosten belastet. Zudem sei die Zollpolitik von Donald Trump eine zusätzliche Bürde und gefährde den Profit, so Narasimhan weiter.
Das kommt bei der Politik nicht gut an. SP-Präsidentin Mattea Meyer kritisierte in der SRF-Arena den Novartis Chef vehement: «Als ob es ein Grundrecht wäre, dass Novartis, Roche und Co. 30 Prozent Gewinnmarge machen auf unsere Kosten.» Bereits früher sprach sie von einem Skandal, dass der Novartis-CEO sich einen Jahreslohn von 19,2 Millionen in die eigene Tasche scheffelt, während viele Versicherten nicht wissen, wie sie ihre Prämien bezahlen sollen.
Die Debatte über höhere Medikamentenpreise ist lanciert – aber wer hat Recht? «direkt» stellt die wichtigsten Fakten zusammen.
1
Die Schweiz hat die höchsten Medikamentenpreise europaweit
Eine Studie des Preisüberwachers zeigt, dass die Schweiz die in Europa mit Abstand teuersten Generikapreise hat. Von den 15 untersuchten Ländern bezahlten Grossbritannien, Schweden und Dänemark nur rund einen Fünftel des Preises, den die Schweiz zahlt. In der Studie steht zudem: «Das günstigste Generikum in der Schweiz kostet somit durchschnittlich mehr als zweieinhalbmal so viel wie in den 15 Vergleichsländern.»
2
Medikamente bilden immer grösseren Anteil an Krankenkassenprämien
Zahlen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) zeigen, dass die Medikamentenpreise zu den grössten Budgetposten in der obligatorischen Krankenversicherung gehören. Sie machen rund einen Fünftel der Gesamtkosten in der obligatorischen Grundversicherung aus, Tendenz steigend.
Allein in den letzten zehn Jahren sind die Preise um fast 50 Prozent gestiegen. Wie diese Preise zwischen Pharmaunternehmen und Bundesbehörden verhandelt werden, ist zudem weitgehend ein Mysterium. Während also die Kosten für die Versicherten steigen, werfen die Pharmakonzerne weiterhin grosse Gewinne für die Aktionär:innen ab. Das intransparente Preissetzungssystem geht schliesslich auf Kosten der Versicherten.
3
Pharmafirmen haben sehr hohe Profitmargen
Was bekannt ist: Die Profitmargen auf den Medikamenten sind exorbitant hoch. So hat die Nichtregierungsorganisation «Public Eye» Profitmargen auf Krebsmedikamenten von 40 bis 90 Prozent berechnet.
Gemäss Handelszeitung beträgt der Gewinn von Roche 50 Prozent des gesamten Umsatzes. Das heisst: fast die Hälfte der von den Versicherten bezahlten Medikamentenpreise ist Gewinn.
Trotz der mit den US-Zöllen verbundenen Unsicherheit konnte Roche im ersten Halbjahr 2025 Umsatz und Gewinn deutlich steigern. Der Grund dafür ist gemäss SRF die hohe Nachfrage nach neuen Medikamenten. Dasselbe gilt für Novartis. Davon profitieren selbstverständlich die Aktionär:innen, wie die NZZ schreibt. Novartis hat die Dividendenausschüttung seit 2004 vervierfacht und Roche mehr als verfünffacht.
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Marketing ist der grössere Geschäftszweig als die Forschung
Die Pharmalobby argumentiert dabei immer wieder, dass diese Profite nötig seien, um bessere Medikamente entwickeln zu können. Aber die NZZ berichtete, dass die Marketingausgaben der Pharmakonzerne die Ausgaben für Forschung übertreffen. Tilman Slembeck, Volkswirtschaftsprofessor an der ZHAW, kommentierte: «Die grossen Pharmakonzerne haben offensichtlich mehr als genug Marge, um ihre Entwicklungskosten zu decken.»
Den Pharmakonzernen ist bewusst, dass dies ein heikler Punkt ist. Heute veröffentlichen sie deshalb die Kosten für Marketing und Vertrieb nicht mehr. Seit 2022 verweigert beispielsweise Roche Transparenz in diesem Bereich. Bis dahin zeigten die Zahlen, dass der Konzern deutlich mehr für Marketing und Dividenden ausgab als für die Forschung. Vor sechs Jahren titelte die Sonntagszeitung noch: «Marketing-Ausgaben der Pharma gehen durch die Decke: Bei Novartis übersteigen die Kosten für den Vertrieb den Aufwand für die Forschung».