«Jetzt schnell zu handeln, vermeidet höhere Folgekosten in der Zukunft»

Asti Roesle von der Klima Allianz Schweiz wirft in ihrer Kolumne einen Blick auf die Herausforderungen der diesjährigen Welt-Klimakonferenz (COP29) in Baku.

Spätestens morgen, am 22. November, sollten sich die Länder an der diesjährigen Welt-Klimakonferenz (COP29) in Baku, Azerbaijan unter anderem auf eine globale Klimafinanzierungslösung einigen. Ohne massive Investitionen werden die notwendigen Anpassungen an die globale Klimakrise mit ihren zunehmenden extremen Wetterereignissen und der Aufbau umweltfreundlicher Energiesysteme in Entwicklungs- und Schwellenländern nicht möglich sein.

Die COP29, steht unter einem sehr schlechten Stern: Erstens findet sie im Petrostaat Azerbaijan statt, also einem Staat, der einen Grossteil seiner Einnahmen aus Öl und Gas erwirtschaftet und dabei für Repression an Menschenrechts- und Klimaktivist:innen bekannt ist. Zweitens startete sie nur wenige Tage, nachdem Trump und seine Unterstützer:innen in den USA gewählt wurden. Die Welt ist überschattet von Kriegen in der Ukraine, im Nahen Osten, im Sudan und in weiteren Krisengebieten. Der reiche Teil der Welt kämpft unterdessen mit neoliberaler Abbaupolitik, Inflation, wachsendem Populismus und Autokratien.

Die COP29 muss zum Wendepunkt in Richtung einer gerechten, bewohnbaren und nachhaltigen Zukunft für viele kommende Generationen im Süden und im Norden werden.

Nichtsdestotrotz ist es von grosser Wichtigkeit, dass die Konferenz morgen mit greifbaren Resultaten abgeschlossen werden kann. Ein offener Brief aus dem Umkreis der ETH Zürich, der von hunderten von Wissenschaftler:innen und Student:innen unterstützt wird, bringt es auf den Punkt: Die Entscheidungstragenden an der COP29 müssen ihrer Verantwortung gegenüber künftigen Generationen gerecht werden und sich für sofortige und drastische Emissionssenkungen einsetzen. Die COP29 muss zum Wendepunkt in Richtung einer gerechten, bewohnbaren und nachhaltigen Zukunft für viele kommende Generationen im Süden und im Norden werden.

Welche Finanzierung ist notwendig und wie lassen sich die Milliarden auftreiben?

Die internationale Zivilgesellschaft fordert mindestens 1000 Milliarden Dollar pro Jahr an öffentlichen Geldern für die Klimafinanzierung. Die Schweiz setzt hingegen darauf, dass private Investitionen das benötigte Geld in den Globalen Süden bringen sollen. Dabei wird ausser Acht gelassen, dass über private Finanzflüsse das Geld aufgrund von Steuerflucht und hohen Zinsen bisher vor allem vom Süden in den Norden fliesst. Besonders stossend ist, wie multinationale Unternehmen als Meister in der Kunst der Steuerhinterziehung allen Staaten wertvolle Steuereinnahmen entziehen. Gemäss Angaben des Internationalen Währungsfonds handelt es sich dabei um rund 600 Milliarden Dollar pro Jahr. Dieses Geld würde in allen Ländern dringend für die Klimafinanzierung wie auch für den Gesundheits- und Bildungssektor benötigt.

Die Schweiz darf dabei nicht länger auf private Investitionen hoffen, sondern muss die richtigen Prioritäten setzen und Hand für ein massiv höheres Finanzierungsziel aus öffentlichen Mitteln bieten.

Insbesondere hoch verschuldete, ärmere und katastrophenanfällige Länder befinden sich in einem Teufelskreis. Einige konnten ihre Zinsen bisher nur mit Einnahmen aus der Förderung von Öl oder Gas begleichen und müssen mehr für die Rückzahlung als für Klimaanpassungen ausgeben. Dies verunmöglicht ihnen die Transition hin zu erneuerbaren Energiesystemen und macht sie gleichzeitig anfälliger für Klimakatastrophen mit allen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Konsequenzen.

Interessante Finanzierungsansätze wären Steuern auf kohlenstoffintensive Aktivitäten wie die Öl- und Gasförderung, Vermögenssteuern wie die von Brasilien vorgeschlagene Milliardärssteuer, Finanztransaktionssteuern, Abgaben auf Vielfliegerei und allgemein die Umlenkung schädlicher Subventionen für fossile Brennstoffe.

Die Schweiz muss jetzt handeln

Um einen effektiven Beitrag zu leisten, muss die Schweiz rund 9 Milliarden Franken pro Jahr an die globale Klimafinanzierung beitragen. Dies entspricht weniger als einem Viertel der jährlichen Klimaschadenskosten, welche der Schweizer Konsum aktuell pro Jahr verursacht. Die Schweiz darf dabei nicht länger auf private Investitionen hoffen, sondern muss die richtigen Prioritäten setzen und Hand für ein massiv höheres Finanzierungsziel aus öffentlichen Mitteln bieten. Natürlich fallen einem bei diesem Thema automatisch die gegenwärtigen Abbaumassnahmen des Bundes ein. Man kann jedoch nicht oft genug wiederholen, dass die Kosten der Auswirkungen einer ungebremsten Erwärmung in Zukunft überall viel höher sein werden als die jetzt benötigten Transitionskosten für die Reduktion der globalen Treibhausgas-Emissionen.

Nicht zuletzt sollten an der COP29 auch die Weichen dafür gestellt werden, wie Anfang 2025 alle Länder ihre neuen Klimaziele, «nationally determined contributions (NDCs)», einreichen müssen. Dabei wäre es entscheidend, dass reiche Länder wie die Schweiz als Vorbilder vorangehen und ihre Pläne für den Ausstieg aus fossilen Energien konkret darlegen. Dieser Ausstieg wurde letztes Jahr 2023 an der Klimakonferenz in Dubai beschlossen.

Morgen wird sich herausstellen, ob wir der Rettung des 1,5 Grad Ziels unter Berücksichtigung der Klimagerechtigkeit im Globalen Süden einen Schritt näher kommen können. Die Hoffnung stirbt zuletzt.


Asti Roesle ist Koordinatorin bei der Klima-Allianz Schweiz zum Thema Finanzsektor und Klima. Die ausgebildete Forstingenieurin und Juristin ist seit über 20 Jahren Klimaaktivistin und arbeitete während 14 Jahren in internationalen Umweltprojekten bei Greenpeace.

Die Kolumne ist eine «Carte Blanche» und widerspiegelt die Meinung der Autorin.

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