Island ist seit einigen Jahren Vorreiter bei der Einführung und dem Test verschiedener Modelle zur Arbeitszeitverkürzung. Eine neue Studie des britischen «Autonomy Institute» und der isländischen «Association for Sustainability and Democracy» (Alda) zeigt nun: Arbeitszeitverkürzung lohnt sich. 80 Prozent der Beschäftigten mit verkürzter Arbeitszeit – durchschnittlich 35 Stunden pro Woche – sind mit dem neuen Modell zufrieden. Mehr als 60 Prozent geben an, dass sich ihr Privatleben verbessert hat und sie sich mental und physisch erholter fühlen.
Trotz der positiven Bilanz besteht in der Privatwirtschaft Islands Nachholbedarf. Denn hier profitieren nur 42 Prozent der Beschäftigten von einer Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohn. Zum Vergleich: Im öffentlichen Dienst sind es 71 Prozent.
Auch die Wirtschaft wächst und die Arbeitslosigkeit liegt mit 3,4 Prozent deutlich unter dem europäischen Durchschnitt. Allein 2023 betrug das Wirtschaftswachstum fünf Prozent, wie der Internationale Währungsfonds mitteilt. Das ist eine der höchsten Wachstumsraten der EU. Es lässt sich auch eine Produktivitätssteigerung nachweisen, belegt die Studie. Damit widerlegen die Autor:innen der Studie erneut die Kritik der Arbeitgeber.
Arbeitszeitreduktion ist machbar und sinnvoll
Auf Druck der Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft haben der Stadtrat von Reykjavík und die isländische Regierung 2015 das weltweit grösste Experiment zur Arbeitszeitverkürzung gestartet. Vier Jahre lang haben 2500 Beschäftigte aus über 100 Unternehmen statt 40 im Schnitt nur 35 oder 36 Stunden gearbeitet – bei vollem Lohn. Der Versuch war so erfolgreich, dass nun die Arbeitszeitregelungen generell geändert wurden.
Der Versuch umfasste über ein Prozent der gesamten Erwerbsbevölkerung Islands und unterschiedliche Berufsgruppen. Kinderbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen waren genauso Teil des Tests wie Krankenhäuser, Schulen, Servicezentren oder Büros in der Stadtverwaltung. Kurz: Vom klassische Nine-to-Five-Job bis zur Schichtarbeit.
Nach wissenschaftlicher Begleitung und zweijähriger Auswertung der Ergebnisse ist überdeutlich, dass eine generelle Arbeitszeitverkürzung möglich und sinnvoll ist. «Die kürzere Arbeitswoche in Island zeigt uns, dass es in der heutigen Zeit nicht nur möglich ist, weniger zu arbeiten, sondern auch progressive Veränderungen mit sich bringt», sagt Gudmundur Haraldsson, Forscher des Think Tanks Alda.
4-Tage-Woche macht glücklicher, gesünder und produktiver
Es zeigte sich, dass die Beschäftigten mit kürzerer Arbeitszeit weniger Stress erlebten und das Risiko für ein Burnout abnahm. Sie fühlten sich glücklicher, hatten mehr Zeit für Erholung, Familie, Haushalt, Hobbies oder Sport. Gleichzeitig nahm weder Produktivität noch Qualität ab. Im Gegenteil: In vielen Fällen wurde schneller die gleiche oder sogar eine bessere Leistung erbracht.
Island als Vorbild für andere Länder
Im Frühling hat Spanien einen landesweiten Versuch der 4-Tage-Woche angekündigt, an dem bis zu 6000 Beschäftigte über einen Zeitraum von drei Jahren teilnehmen werden. Damit wird die Liste jener Länder und Unternehmen immer länger, die mit kürzerer Arbeitszeit experimentieren. Auch in Neuseeland oder in Osttirol berichten Firmen von ihren Erfolgsgeschichten.
In Island gibt es schon jetzt deutliche Auswirkungen der Studie. Seit dem Ende des Versuchs haben einige Gewerkschaften die Arbeitszeit neu verhandelt. 86 Prozent aller Beschäftigten haben nun kürzere Arbeitszeiten oder zumindest die Möglichkeit dazu.
Dieser Artikel wurde teilweise von kontrast.at übernommen.