Seit 2005 kennt die Schweiz ein Gentech-Moratorium. Es schützt Mensch, Tier und die Umwelt vor den Gefahren der Gentechnik in der Landwirtschaft. Ende Jahr läuft das Moratorium aus. Die zuständige nationalrätliche Kommission schlägt eine Verlängerung um zwei Jahre vor. Der Bundesrat will das Moratorium gar um fünf Jahre bis 2030 verlängern. Die Begründung: Es werde mehr Zeit für die Ausformulierung eines Gesetzes für neue genomische Techniken (NGT) benötigt. Zudem könnten so die Ergebnisse der momentan blockierten Gesetzgebungsprozesse in der EU abgewartet werden. Denn die Schweizer Gesetzgebung soll sich an der EU orientieren, so der Bundesrat.
Liberalisierung im Sinne der Grosskonzerne
Der Nationalrat wird in der Frühlingssession über die Verlängerung des Moratoriums entscheiden. Gleichzeitig drückt der Bundesrat aufs Tempo: Bereits 2026 will er dem Parlament eine Botschaft für ein Spezialgesetz zu den neuen genomischen Techniken unterbreiten.
Dies ist ganz im Sinne der Chemie- und Saatgutindustrie, die das grosse Geschäft wittert. Sie setzt das Parlament und den Bundesrat bereits jetzt mit Lobbying unter Druck. Ihr erklärtes Ziel: Gelockerte Regelungen für den Anbau und den Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren in der Landwirtschaft. Damit könnten sie ihren Profit weiter maximieren, ohne Verantwortung für die Risiken übernehmen zu müssen. Diese soll die Allgemeinheit tragen.
Klare Regeln gefordert
Dass die neuen Verfahren in einem separaten Gesetz geregelt werden, lehnen Gentech-Gegner:innen vehement ab. Sie betonen: Mit der sogenannten Genschere – auch «Crispr/Cas» genannt – wird die DNA einer Pflanze verändert, weshalb es sich auch hier um Gentechnik handelt.
Die Lebensmittelschutz-Initiative fordert nun klare Regeln für den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen in der Landwirtschaft – auch für die neuen Verfahren. Sie setzt dabei nicht auf ein generelles Verbot, sondern auf die Wahlfreiheit der Konsument:innen. Zudem soll die Umwelt dank strikter Regeln vor den Risiken der Gentechnik geschützt bleiben.
Drei Gründe, die für die Initiative sprechen:
1. Gentechnikfreie Landwirtschaft soll unabhängig bleiben
Gentechnik-Konzerne sichern sich durch Patente die Kontrolle über Saatgut. So können sie die Preise in die Höhe treiben. Züchter:innen müssen für die Patente Lizenzgebühren bezahlen, wodurch die Abhängigkeit der Landwirtschaftsbetriebe von den Konzernen enorm steigt.
Damit die gentechnikfreie Landwirtschaft unabhängig bleiben kann, schreibt die Lebensmittelschutz-Initiative fest, dass diese nicht durch Patente behindert werden darf. Der freie Zugang zum Genpool ist für die Züchtung von robusten Sorten nötig und gerade auch wegen dem voranschreitenden Klimawandel für die Ernährungssicherheit essenziell. Die Behauptung, dass gentechnisch veränderte Organismen resilienter gegen Klimaveränderungen sind, liess sich bisher nicht bestätigen.
2. Mehr Sicherheit durch Risikoprüfung
Auch die sogenannten NGT greifen wie die klassische Gentechnik direkt ins Genom ein. Im Detail ist unklar, welche Auswirkungen diese Eingriffe auf die Pflanze selbst, Mensch, Tier und Umwelt haben. Hier setzt die Initiative an: Wer genetechnisch veränderte Organismen in den Verkehr bringen möchte, muss dafür eine Bewilligung beantragen und die Risiken vorab prüfen. Wer gentechnisch veränderte Organisamen (GVO) verwenden will, muss auch die Kosten für sogenannte Koexistenzmassnahmen tragen. Das heisst, wenn zum Beispiel Abstandsregeln zwischen zwei Feldern nötig werden, muss jener Betrieb die Kosten dafür tragen, der genetechnisch verändertes Saatgut verwenden will.
3. Förderung der Vielfalt und Kennzeichnungspflicht
Neben diesen Schutzmassnahmen soll die gentechnikfreie Produktion von Lebensmitteln durch den Bund gefördert werden. Zudem müssen gentechnisch veränderte Produkte als solche gekennzeichnet werden, sowohl für Produzent:innen und Züchter:innen als auch für die Konsument:innen. Nur so kann garantiert werden, dass alle frei entscheiden können, ob gentechnisch veränderte Lebensmittel auf dem Teller landen oder eben nicht.
Sammelphase läuft
Die Initiative wurde im vergangenen September lanciert und befindet sich in der Sammelphase. Sie wird von zahlreichen Organisationen aus den Bereichen Landwirtschaft, Konsumentenschutz und Umweltschutz getragen, darunter Bio Suisse, Greenpeace und Swissaid.
Die Initiative sei trotz einer Moratoriumsverlängerung bis 2030 enorm wichtig, betont Claudia Vaderna, Geschäftsleiterin der Schweizer Allianz Gentechfrei: «Sie ist das einzige Gegengewicht zur mächtigen Industrie und setzt die roten Linien, damit die gentechnikfreie Landwirtschaft in der Schweiz geschützt bleibt.»