Schweiz versenkt Prämiendeckel: Das Nachsehen hat der Mittelstand

Das Nein-Lager hat sich durchgesetzt: Die Stimmbevölkerung lehnt die Prämien-Entlastungs-Initiative ab. Der Druck auf die Kaufkraft des Mittelstands wird ungehindert weiter steigen. Eine Nachwahlbefragung von Tamedia zeigt nun, dass vor allem reiche Personen gegen die Initiative waren und so Personen mit wenig Geld überstimmt haben.

Bild: Keystone (Manuel Geisser)

Obschon die hohen Krankenkassen-Prämien die grösste Sorge der Bevölkerung sind, haben 55,5 Prozent der Stimmenden die Prämien-Entlastungs-Initiative abgelehnt. Das sind keine guten Nachrichten für Menschen, die bereits heute nicht wissen, wie sie am Ende des Monats ihre Rechnungen bezahlen sollen. Denn die Prämien werden auch in den nächsten Jahren weiter ungehindert ansteigen.

Gemäss einer Nachwahlbefragung von Tamedia haben Personen mit einem Haushaltseinkommen bis 7000 Franken der Initiative zugestimmt. Anders als bei der 13. AHV-Rente im März haben bei dieser Abstimmung jedoch reichere Personen, Menschen mit weniger Geld überstimmt. Während eine 13. AHV-Rente an alle Renter:innen ausbezahlt wird, hätten vom Prämiendeckel bei zehn Prozent des verfügbaren Einkommens vor allem Menschen mit tiefen und mittleren Einkommen profitiert.

Hoher Ja-Anteil

Auch wenn der Ja-Anteil tiefer ausfiel als die Umfragen im Vorfeld vermuten liessen, liegt er deutlich höher als bei früheren linken Gesundheitsvorlagen. Bis in die 1990er-Jahre erreichten diverse Initiativen für ein sozialeres Gesundheitssystem nicht einmal die 30-Prozent-Marke. Der Initiative für eine öffentliche Krankenkasse 2014 stimmten 38,2 Prozent zu. Dass nun fast 45 Prozent für den Prämiendeckel gestimmt haben, ist bemerkenswert und unterstreicht den finanziellen Leidensdruck weiter Teile der Bevölkerung. Nach dem Ja zur 13. AHV-Rente ist dies ein weiteres deutliches Signal an die bürgerliche Mehrheit im Parlament und den Bundesrat, endlich etwas für die Entlastung des Mittelstands zu unternehmen.

Kantone am Zug

Klar ist: Die Prämienlast wird weiter steigen. Der Bund rechnet bis 2030 mit durchschnittlich vier Prozent pro Jahr. Das Vergleichsportal Comparis geht für das nächste Jahr sogar von einem Kostenanstieg von bis zu zehn Prozent aus. Es bleibt die Frage: Wer kann das noch bezahlen?

Immer mehr Menschen werden feststellen, dass am Ende des Monats nicht mehr genug Geld übrig ist. Wer seine Franchise noch nicht auf das Maximum gesetzt hat, wird dies bald ändern müssen. Und so werden es sich immer mehr Menschen nicht mehr leisten können, zur Ärztin zu gehen, auch wenn es eigentlich nötig wäre – trotz teurer Grundversicherung.

Damit nicht noch mehr Menschen in die Armut abrutschen, müssten die Kantone ihre Mittel für die Prämienverbilligungen deutlich erhöhen. Verschiedene SP-Kantonsparteien haben gestern bereits angekündet, hier den Druck auszubauen. Insbesondere in den Kantonen, in denen die Prämien-Entlastungs-Initiative angenommen wurde, könnten solche Forderungen gute Chancen haben.

SP fordert öffentliche Krankenkasse

Doch auch national dürfte das Thema der hohen Prämien weiterhin präsent bleiben. Bereits gestern hat die SP angekündet, die Lancierung einer Initiative für eine öffentliche und soziale Krankenkasse voranzutreiben. Sie sieht ein Problem des rasanten Kostenwachstums auch im «Pseudo-Wettbewerb» unter den Krankenkassen selbst. Und vielleicht werden diese Pläne auch von der Mitte unterstützt: Präsident Gerhard Pfister hat bereits angekündet, dem Vorhaben gegenüber nicht abgeneigt zu sein.

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