Arbeiten wir bald bis 67?

Die Jungfreisinnigen fordern mit einer Initiative die schrittweise Erhöhung des Rentenalters. Am 3. März stimmen wir sowohl über ihre Renteninitiative wie auch über die 13. AHV-Rente ab. «direkt» erklärt, warum eine Erhöhung des Rentenalters sowie die Koppelung des Rentenalters an die Lebenserwartung die Normalverdienenden treffen und weshalb die Drohung der leeren Kassen nicht der Realität entspricht.

Einreichung der Renteninitiative 2021. Foto: Keystone (Marcel Bieri)

Nach einer chaotischen Kehrtwende der Bürgerlichen im Nationalrat ist es klar: Die Renteninitiative der Jungfreisinnigen (JFS) kommt ohne Gegenvorschlag an die Urne. Bundesrat und Parlament lehnen sie ab. Neben der Initiative für eine 13. AHV stimmen wir daher am 3. März auch über dieses Volksbegehren ab.

Mit der Initiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge» soll das Rentenalter generell auf 66 Jahre erhöht und in einem weiteren Schritt an die Lebenserwartung gekoppelt werden. Dadurch würde es noch weiter ansteigen. Die Begründung der Jungfreisinnigen: Die AHV gehe sonst bankrott, weil die Menschen heute länger leben. «direkt» zeigt auf, warum die Argumentation der Jungfreisinnigen nicht verfängt.

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Leere Kassen? Von wegen

Wenn es um die Finanzierung der AHV geht, malen die Bürgerlichen gerne schwarz. Seit Jahren warnen sie davor, dass die AHV vor dem finanziellen Kollaps stehe. Damit zementieren sie die Vorstellung, dass die zurzeit überdurchschnittliche Zunahme der Anzahl Rentner:innen die Altersvorsorge vor unlösbare Probleme stelle. Dies lässt sich jedoch nicht belegen. Bisherige Prognosen haben sich mehrfach als falsch und als zu pessimistisch erwiesen. 2022 schloss die AHV mit einem positiven Umlageergebnis von 1,6 Milliarden Franken ab.

Bei der Diskussion um die Finanzierung der AHV gilt es ausserdem zu berücksichtigen, dass bereits einige Reformen beschlossen wurden. Das gilt einerseits für die STAF-Vorlage (Steuerreform und AHV-Finanzierung), der die Stimmbevölkerung 2019 zugestimmt hat, andererseits für die Reformvorlage AHV21, die bei der Abstimmung im September 2022 eine hauchdünne Mehrheit erzielte.

In der Diskussion wird zudem vernachlässigt, dass die AHV-Finanzierung nicht nur vom demographischen Wandel und der Zahl Rentner:innen abhängt. Entscheidend ist auch, wie viel Geld in die AHV fliesst. Dies ist von der Lohnsumme abhängig. Steigt diese, wie dies in den vergangenen Jahrzehnten der Fall war, steigen auch die Einnahmen der AHV. Die zunehmende Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt ebenso wie das Wirtschaftswachstum und die Migration trugen und tragen einen wesentlichen Teil dazu bei.

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Frühpension nur für Topverdienende

Wer wenig verdient, kann weniger in die Altersvorsorge einzahlen und erhält dadurch eine tiefere Rente. Menschen mit tiefen und mittleren Einkommen können es sich darum kaum leisten, sich frühzeitig pensionieren zu lassen.

Verlieren diese Menschen kurz vor der Erreichung des Rentenalters ihre Stelle, ist es für sie praktisch unmöglich, noch eine Anstellung zu finden. Es ist also nicht so, dass durch ein höheres Rentenalter die Arbeitslosigkeit gesenkt und dem Fachkräftemangel besser begegnet werden kann. Im Gegenteil, bereits heute braucht es griffige Massnahmen gegen die Arbeitslosigkeit der über 55-Jährigen. Das zeigt sich nicht zuletzt auch darin, dass die Langzeitarbeitslosigkeit in dieser Alterskategorie sehr hoch ist.

Grosse Unternehmen wie die Swisscom haben aus diesem Grund die «Altersteilzeit» eingeführt. Damit können ältere Angestellte ihr Arbeitspensum reduzieren. Die Arbeitgeberseite zahlt jedoch weiterhin Beiträge auf den gesamten versicherten Lohn.

Der von der jungfreisinnigen Initiative vorgesehene Automatismus bei der Erhöhung des Rentenalters berücksichtigt gemäss den Angaben des Bundesrats weder die tatsächliche Situation der älteren Angestellten auf dem Arbeitsmarkt noch die sozialen Umstände.

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Reiche leben tendenziell länger

Reiche können nicht nur früher in Rente gehen, sie leben tendenziell auch länger als Menschen mit tiefen und mittleren Einkommen. Denn die Lebenserwartung wird massgeblich von Einkommen und Bildungsniveau beeinflusst.

Das zeigt eine Genfer Studie: Zwischen 1990 und 2014 verlängerte sich bei Menschen mit hohem Bildungsstand die gesunde Lebensdauer. Die Gesundheit von Personen mit tiefem Bildungsstand verschlechterte sich früher. Auch die erzliberale NZZ anerkennt diese Tatsache und titelte:  «Warum Reiche bessere Chancen auf ein gesundes Leben haben.»

Diese Ungleichheit verstärkt sich mit der Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung, da diese einen fiktiven Durchschnittswert darstellt. Menschen mit tiefen und mittleren Einkommen werden damit gleich doppelt bestraft. Sie können es sich nicht leisten, sich früher pensionieren zu lassen, und sie leben im Schnitt weniger lang als Menschen mit hohem Einkommen. Zusammengefasst: Wer weniger verdient, hat am Schluss weniger Lebenszeit im Ruhestand.

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