Am 24. November stimmen wir über zwei Mietrechts-Revisionen ab, weil der Mieterinnen- und Mieterverband zusammen mit der SP das Doppel-Referendum gegen die Vorlagen ergriffen hat. Diese im Parlament verabschiedeten Änderungen im Obligationenrecht kommen sehr technisch und juristisch daher. Davon darf man sich aber nicht täuschen lassen: Denn sie sind Meilensteine in einer Kaskade von Angriffen der Vermieter und der starken Immobilien-Lobby auf den Mieterschutz. Beide Vorlagen dienen der erleichterten Kündigung von Mietverhältnissen mit dem Ziel, bei Neubesetzungen der Mietwohnungen unter Ausnützung der Wohnungsnot höhere Renditen zu erzielen.
«Seit 2015 läuft diese Salamitaktik mit dem übergeordneten Ziel, mittels erleichterter Kündigungen die Mietwohnungsrenditen mit neuen Mietnachfolgern zu erhöhen.»
Die Vorgeschichte: Kalkulierte Salamitaktik mit Einzelrevisionen
Die zwei Mietrechtsvorlagen vom November 2024 stehen in einer langen Reihe von parlamentarischen Vorstössen, orchestriert vom Schweizerischen Hauseigentümerverband (HEV). Seit 2015 läuft diese Salamitaktik mit dem übergeordneten Ziel, mittels erleichterter Kündigungen die Mietwohnungsrenditen mit neuen Mietnachfolgern zu erhöhen. Weitere Vorlagen zur Schwächung des Mieterschutzes sind schon in der Pipeline. SP-Nationalrätin Jacqueline Badran hat die folgende Chronologie an einer Medienkonferenz des Mieterinnen- und Mieterverbands präzise aufgezählt:
Schritt 1: Mit zwei Vorstössen im Nationalrat im Jahr 2017 verlangten Vermietervertreter die Aufweichung respektive Erhöhung des mietrechtlichen Rendite-Deckels. Man verlangte nicht mehr direkt eine Form von Marktmiete, die in den 1990er und 2000er Jahren gescheitert war, sondern «nur» eine höhere zulässige Rendite.
Schritt 2: Zwei weitere Vorstösse verlangten 2015 und 2018 eine erleichterte Kündigung bei der Untermiete und beim Eigenbedarf. Um diese Mietrechtsrevisionen geht es der Volksabstimmung vom November 2024.
Schritt 3: Nochmals zwei weittragende Vorstösse von 2016 und 2017 wollen die mietrechtliche Anfechtung von übersetzten Mieten unterbinden oder abschwächen. Diese kommen nach der November-Abstimmung ins Parlament.
Der Ständerat sistierte alle Vorstösse und verlangte einen Gesamtüberblick unter Einbezug der Interessen der Mieterinnen sowie Mieter und eine zusammenfassende Revision des Mietrechts, also keine Salamitaktik mit zahlreichen Vorlagen. 2021 lehnte der Nationalrat aber die vom Ständerat verlangte Gesamtschau ab und zerstückelte das Gesamtpaket wieder in Einzelvorlagen. Diese Taktik diente dem «Aushungern» des Mieterinnen- und Mieterverband, der nun für jede einzelne Mietrechts-Teilrevision das Referendum ergreifen muss.
2022 erhöhte das Bundesgericht in der rein bürgerlich zusammengesetzten ersten öffentlich-rechtlichen Kammer unter dem Präsidium einer FDP-Richterin den Renditedeckel: Die zulässige Bruttorendite der Vermieter wurde von bisher 0,5 Prozent auf 2 Prozent über den aktuellen Referenzzinssatz erhöht. Genau dies ist zuvor vom Präsidenten des Hauseigentümerverbands in der Romandie verlangt worden. Der Bundesgerichtsentscheid wurde gefällt, bevor der betreffende Vorstoss im Parlament behandelt worden ist.
Mit dieser listigen Taktik zwang der Hauseigentümerverband den Mieterinnen- und Mieterverband bei jedem abgeänderten Mietrechtsartikel im Obligationenrecht zu einem separaten, teuren Referendum. Gibt es also ein Ja am 24. Novmeber zu diesen beiden Vorlagen, geht die Kaskade der Angriffe auf das bestehende Mietrecht weiter. Die nächste Abbau-Vorlage kommt schon nach Neujahr ins Parlament. Deshalb ist der Ausgang der Mietrechtsabstimmungen vom November matchentscheidend für die Zukunft des Mietrechts.
Der Bundesrat lehnte ursprünglich alle Vorstösse der Vermieterseite ab. Er widersetzte sich auch der Aufspaltung der Vorlagen für die Volksabstimmung. Nun muss er entgegen seiner ursprünglichen Haltung laut Gesetz die Parlamentsvorlage formal unterstützen.
Was die Mietrechtsvorlagen vom November bewirken
Vorlage I
Bedingungen und erleichterte Kündigung bei Untermiete:
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- Mit der Vorlage müssen neu die Mieterinnen und Mieter dem Vermieter die Untermiete schriftlich mitteilen, auch die Namen der Untermieter und die Vertragsbedingungen der Untermiete erfolgen schriftlich
- Der Vermieter muss eine schriftliche Zustimmung zur Untermiete erteilen.
- Der Vermieter kann die Untermietdauer auf zwei Jahre beschränken
- Wenn Mietern ein Formfehler passiert (zum Beispiel vorher keine schriftliche, briefliche Zustimmung des Vermieters eingeholt) kann ihm der Vermieter kurzfristig kündigen.
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Auswirkungen:
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- Neu müssen Mieterinnen und Mieter mit einem Brief und Original-Unterschrift (blosses Mail oder Telefon genügt nicht mehr) bei Vermieter eine Untermiete bewilligen lassen.
- Der Vermieter muss diese Untermiete neu schriftlich bewilligt haben. Er muss alle Bedingungen der Untermiete und die Namen der Untermieter neu schriftlich erhalten. Dies gilt auch für Wohngemeinschaften, wenn nicht schriftlich etwas anderes vereinbart worden ist.
- Für Mieterinnen und Mieter kann die neue zeitliche Befristung auf zwei Jahre einen sozialen Härtefall bedeuten: Wenn zum Beispiel der Mann einer Rentnerin gestorben ist und sie mit einem zahlenden Untermieter die Wohnung finanzieren und behalten möchte.
- Oder wenn eine Person mit Kind, die nach der Scheidung ihre Wohnung behalten möchte, einen Untermieter dauernd zur Finanzierung der Wohnung baucht.
- Oder eine KMU-Inhaberin, die in ihren gemieteten, aber zu grossen Geschäftsräumen zur Mitfinanzierung einen weiteren Dauer-Untermieter benötigt.
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Offensichtliche Missbräuche bei der Untermiete (z.B. überhöhte Zinsen) können schon heute sanktioniert werden.
Vorlage II
Erleichterte Kündigung bei Eigendarf für Eigentümer und seine Verwandten:
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- Mit dieser Vorlage wird die Kündigung erleichtert: Bisher musste der Eigenbedarf des Vermieters und seiner nahen Verwandten und Verschwägerten auf die betreffende Wohnung dringlich sein. Neu wird die Dringlichkeit des Eigenbedarfs aufgeweicht.
- Neu muss der Eigenbedarf nur noch als «bedeutend und aktuell» beurteilt werden. Die Hürde wird tiefer.
- Es braucht neu einen «bei objektiver Beurteilung bedeutenden und aktuellen Eigenbedarf». Ein neuer, bisher nicht angewandter Rechtsbegriff für die Rechtfertigung der Kündigung.
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Auswirkungen:
Diese abgeschwächte juristische Formulierung des Eigenbedarfs wird eine neue Gerichtspraxis einleiten: Die Schwelle für die Kündigung einer Wohnung wird gesenkt. Die Begründung des Eigenbedarfs für den Vermieter und seine nahen Verwandten und Verschwägerten wird erleichtert.
«Jede Mietrechts-Abschwächung und jede erleichterte Kündigung kann zu höheren Mietkosten bei den Nachmieterinnen und Nachmietern benützt werden.»
Die Hauseigentümer argumentieren, diese erleichterte Kündigung würde den Wohnungsbau attraktiver machen. Beweise dazu gibt es nicht.
Eine wirtschaftspolitische Einschätzung: Warum diese Mietrechtsvorlagen zu höheren Mieten führen
Die beiden Vorlagen, die im November zur Abstimmung kommen, wollen einerseits die erleichterte Kündigung bei Eigenbedarf einführen und andererseits die Untermiete stark einschränken. Dabei ist wichtig zu beachten: Jede Mietrechts-Abschwächung und jede erleichterte Kündigung kann zu höheren Mietkosten bei den Nachmieterinnen und Nachmietern benützt werden.
Heute übersteigt die höhere Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt das Angebot von Neuwohnungen deutlich. Das heisst, der Mangel an leeren Wohnungen führt zu weiteren Überhöhungen der Angebotsmiete auf dem Markt gegenüber den Bestandesmieten. Das ist ein Anreiz für rasche Kündigung und Neuvermietung.
Die fundamentale Ursache dieser Mietzins-Steigerung ist die Knappheit von Wohnungen und der damit erzielte Profit der Immobilien-Investoren. Die steigende Nachfrage nach Wohnungen hat mehrere Ursachenfaktoren, die nicht mietrechtlich steuerbar sind:
- Die Zunahme der Wohnungsnachfrage in den Zentren wird zu 67 Prozent von der Netto-Zuwanderung aus dem Ausland und von der Binnen-Zuwanderung aus anderen Kantonen verursacht (Wüest & Partner).
- Immer mehr Einpersonenhaushalte (im Landesdurchschnitt 40 Prozent, in Städten gegen 50 Porzent) benötigen mehr Wohnfläche pro Kopf, auch wenn die Wohnungen nicht grösser werden. Aber je 1 Küche, Bad, Reduit in jeder Kleinstwohnung oder jedem Studio erhöhen den Flächenbedarf pro Kopf.
- Immer mehr ausländische Firmen und Konzerne rekrutieren oder bringen kaufkräftige Expats mit, die höhere Mieten zu zahlen bereit sind.
Mietkosten als Armutsfaktor: Menschen mit tiefen Einkommen am stärksten betroffen
Der Kern der Wohnbau- und Mietpolitik ist eine extrem soziale Frage: Die Wohnungsverteuerung trifft die tiefen Einkommen am stärksten, weil neben den Krankenkassenprämien insbesondere auch die Mieten relativ stark ins Gewicht fallen. Dabei ist die Miete für die Mehrheit der Haushalte der grösste Posten im Haushaltsbudget. Beim untersten Einkommensquintil (Monatseinkommen tiefer als 4000 Franken) macht die Miete durchschnittlich 35 Prozent aus. Bei der höchsten Einkommensgruppe (über 12’000 Franken) beträgt sie geade mal 13 Prozent. Dadurch zählen die Wohnkosten auch als Armutsrisiko. Für Menschen mit wenig Einkommen wird es zunehmend schwerer, eine bezahlbare Wohnung zu finden.
Sechs Vorschläge zur fairen und langfristigen Stabilisierung des Wohnungsmarktes
Würde sich das Parlament den realen Sorgen der Bevölkerung annehmen, könnten schon längst Massnahmen getroffen werden, um diese Mietpreisexplosion zu stoppen. Statt das Mietrecht weiter auszuhöhlen und dadruch den Druck auf die Mieten noch mehr zu erhöhen, braucht es gezielte Massnahmen für bezahlbare Mieten und mehr bezahlbaren Wohnraum.
1. Es braucht mehr gemeinnützigen und genossenschaftlichen Wohnungsbau.
Gemeinnützige Bauträger wie Genossenschaften oder Stiftungen praktizieren und stabilisieren die Kostenmiete. In Zürich und Winterthur haben Wohnbaugenossenschaften seit den 1930er Jahren eine lange Tradition. In Zürich ist ihr Anteil rund 25 Prozent. Wo diese Tradition fehlt, kann man nicht rasch neue gemeinnützige Bauträger aus dem Boden stampfen. Es braucht auch andere, kommunale Bauträger oder Mietzinsbeiträge, wie in Basel.
2. Verdichtung ist gut und recht, aber bitte familienfreundlich, dass noch genug Platz zum Leben da ist.
Verdichtung in bestehenden Bauzonen ist teuer. Dachstockausbauten, Aufstockungen, Anbauten erfordern massgeschneiderte Arbeiten und führen zu teuren Wohnungen. Verdichtung, oft als Rechtfertigung zur Verhinderung von Einzonungen vorgeschoben, ist keine allgemein gültige, preisgünstige Lösung. In Neubauzonen wird sie bereits praktiziert.
3. Die Umnutzung von heute leeren Büro- und Gewerbeflächen zu Mietwohnungen hat ein grosses Potential.
Allein in der Region Zürich standen im Oktober 2024 rund 420’000 Quadratmeter Büroflächen leer. Die Umnutzung würde für 4000 Wohnungen oder mehr reichen. Dafür bedarf es aber oft einer beschleunigten Zonenänderung mit Volksabstimmung.
4. Verzögernde Einsprachen gegen Umzonungen und Neubauten sind ein Übel und müssen eingegrenzt und rascher entschieden werden.
Der grösste Anteil von Bau- und Planungseinsprachen kommt von benachbarten Hauseigentümern und Bauinvestoren. Seltener kommt er von Schutzverbänden und noch seltener von nachbarlichen Mietern. De facto wird heute die Zonenplanung samt Änderungen von den Gerichten gesteuert. Diese «Gammeljustiz» muss beschleunigt und die Rekurskaskade verkürzt werden. Für Verfahren sind feste Fristengarantien nötig.
5. Gemeinden und Städte sollen bei neu eingezontem Bauland mindestens teilweise ein Vorkaufsrecht erhalten.
Die Baulandnutzung und Baulandverflüssigung (inklusive Einzonungen!) müssen mindestens teilweise mit einem Vorkaufsrecht für Gemeinden und Städte verbunden und erleichtert werden. Der Schweizerische Städteverband, mehrere Kantone und Planungsexperten verlangen seit Jahren vom Bund ein Vorkaufsrecht der Gemeinden für neu eingezontes Bauland für Wohnungsbau- und Gewerbezonen.
6. Bauland- und Wohnbaupolitik müssen weit oben auf die Agenda der Linken rücken.
Der Mieterverband hat diesbezüglich ein Defizit. Das Mietrecht und der Mieterschutz sind zentral. Aber mit Mieterschutz allein schafft man realistischerweise nicht mehr Wohnraum!
Rudolf Strahm, war SP-Nationalrat, und eidgenössischer Preisüberwacher. Er war sieben Jahre SP-Zentralsekretär wirkte vier Jahre als Präsident des bernischen und 13 Jahre als Präsident des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbandes (Deutschschweiz).
Die Kolumne ist eine «Carte Blanche» und widerspiegelt die Meinung des Autors.
Mann soll auch dringend das Stimmrechts alter 16 einfuhren damit auch jeder Schweizer Bürgerinnen und Burger die im Zeitraum von 24 November 2008 bis 25 November 2006 geboren sind auch das vollen stimm und Wahlrecht erhalten wurden auch direkt abstimmen können was nach ihren 18 Geburtstag passieren wird hoffentlich wird der Katastrophe n Aargau ja stimmen am 24 November 2024
Im Gegenteil. Der geistigen Unreife müsste Rechnung getragen werden. Das hiesse, die Volljährigkeit wieder auf mind. 20 Jahre anheben! 😉