«Nichts über uns ohne uns!»: Mit diesem Leitsatz fordern Inklusionsaktivist:innen, dass Menschen mit Behinderungen in Entscheidungen, die sie betreffen, aktiv einbezogen werden. Doch was selbstverständlich klingt, ist keineswegs Realität. Oft werden Entscheidungen über die Köpfe der Betroffenen hinweg getroffen. Ihre Perspektiven und Erfahrungen werden dabei nicht berücksichtigt. Das soll sich nun ändern.
Jahrzehnte ohne grosse Verbesserungen
Zwar hat die Schweiz seit 2004 ein «Behindertengleichstellungsgesetz» (BehiG). Inklusionsexpert:innen bezeichnen es jedoch als «mangelhaft». Der Grund: Die Umsetzung des BehiG geschehe nur halbherzig und langsam. Auch die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen, die von der Schweiz 2014 ratifiziert wurde, vermochte diese Mängel nicht zu beheben.
Menschen mit Behinderungen werden immer noch vielfältig diskriminiert. Oft ist beispielsweise der öffentliche Verkehr nach wie vor nicht zugänglich, etwa, wenn eine Person auf einen Rollstuhl angewiesen ist.
Diskriminierungen in allen Lebensbereichen
Es gibt aber auch allgemeinere Beispiele von Diskriminierung: Die freie Berufswahl bleibt vielen Menschen mit Behinderungen verwehrt, ebenso die freie Wahl des Wohnorts. Viele Menschen werden gezwungen, in einem Heim zu wohnen. Auch Freizeitangebote sind oft nicht zugänglich, wie etwa ein einfacher Restaurantbesuch oder die Mitgliedschaft in einem Verein.
Von Gleichstellung zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen kann deshalb keine Rede sein. Darunter leiden in der Schweiz gemäss Zahlen des Bundes 1,7 Millionen Menschen. Das politische Mobilisierungspotenzial ist entsprechend gross: Erst letzten September hat eine Allianz von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen die Inklusionsinitiative mit 107’910 gültigen Unterschriften eingereicht.
Inklusionsinitiative auf dem Weg
Die Verfassung würde damit die «rechtliche und tatsächliche» Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen garantieren. Dazu gehört auch das Recht auf personelle und technische Assistenz sowie das Recht auf die freie Wahl von Wohnort und Wohnform.
Zentral für Inklusionspolitik sei ein Umdenken, sagt SP-Nationalrat Islam Alijaj (ZH), Mitglied des Initiativkomitees. Nicht die eigenen Beeinträchtigungen, beispielsweise körperliche, seien die Barriere zu einem selbstbestimmten Leben: Die eigentlichen Barrieren seien «die Treppe vor dem Geschäft, die fehlende Assistenz, die verwehrten Chancen in der Bildung oder im Arbeitsleben».
Zusammen mit Alijaj will auch die SP Schweiz beim Thema Inklusion von Menschen mit Behinderungen vorwärts machen. An ihrem Parteitag im Winter 2025 haben die Delegierten ein Positionspapier dazu verabschiedet. Darin fordert die Partei unter anderem umfassende Barrierefreiheit, die Möglichkeit zur politischen Teilhabe, ausreichende Assistenz und Schutz vor Gewalt und Diskriminierung für Menschen mit Behinderungen.
Im «Behindertengleichstellungsgesetz» wird konsequent das Konzept der Integration wiedergegeben. Es zielt darauf ab, Minderheiten in die Mehrheitsgesellschaft zu integrieren. Sie müssen sich weitgehend anpassen. Dieses Konzept betont die Unterschiede zwischen den Gruppen.
Einen anderen Ansatz verfolgt das Konzept der Inklusion: Damit ist das Recht auf eine barrierefreie Teilhabe und Dazugehörigkeit von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft gemeint. Konkret: Inklusion bedeutet zum Beispiel, einen Arbeitsplatz so zu gestalten, dass er sowohl für Menschen mit als auch ohne Behinderungen zugänglich ist; bei einer Veranstaltung alle nötigen Massnahmen zu ergreifen, damit alle Besucher:innen unabhängig von Behinderungen daran teilhaben können; sowie den Wohnbau so zu fördern, dass er von allen Menschen bewohnbar ist. Dieses Konzept berücksichtigt unterschiedliche Bedürfnisse und versucht gleichzeitig, Unterschiede zu minimieren.