Fünfzig Jahre nach Franco: Wenn Krisen den Faschismus wiederbeleben

Fünfzig Jahre nach Francos Tod taucht bei einigen jungen Menschen in Spanien, die durch Krisen verunsichert und historisch schlecht informiert sind, eine beunruhigende Nostalgie für den Franquismus auf.

Opfer der Franco-Diktatur kämpfen bis heute für Gerechtigkeit. Foto: Pierre-Philippe Marcou (AFP/Keystone)

Am 20. November 1975 starb der spanische Diktator Francisco Franco. Fünfzig Jahre später sieht sich Spanien mit einer beunruhigenden Realität konfrontiert: In einem Klima sozialer und wirtschaftlicher Krisen scheint das Gespenst des Diktators wieder an Boden zu gewinnen. Vor allem bei einigen jungen Menschen, die historisch schlecht informiert und eines Systems überdrüssig sind, das ihren Erwartungen nicht mehr zu entsprechen scheint, taucht der Franquismus wieder auf – als eine Art ideologischer Zufluchtsort, als falsches Versprechen von Stabilität und «einfacheren» Lösungen.

In Krisenzeiten sind einfache Antworten attraktiv

Laut einer im Oktober letzten Jahres vom soziologischen Forschungszentrum CIS veröffentlichten Umfrage beurteilen etwas mehr als 65 Prozent der Spanier:innen die Franco-Diktatur als «schlecht» oder «sehr schlecht». Mehr als 21 Prozent der Befragten bewerten sie hingegen als «gut» oder sogar «sehr gut».

Gemäss einer weiteren Umfrage, die im selben Monat von der Tageszeitung «El Mundo» durchgeführt wurde, wurde die regierende sozialistische Partei in puncto Beliebtheit bei den 18- bis 29-Jährigen von der konservativen Partido Popular (PP) und der rechtsextremen Partei Vox überholt. Insbesondere Vox wird eine klare Franquismus-Nostalgie vorgeworfen.

Viele junge Menschen seien frustriert und wütend auf das System und die traditionellen Parteien, so Verónica Diaz Moreno, die den Masterstudiengang «Soziale Probleme» an der Nationalen Fernuniversität (UNED) leitet. Dies erklärt das wachsende Interesse der Jugend an der extremen Rechten. Cristina Luz Garcia, Geschichtslehrerin an einem Madrider Gymnasium, erklärt, dass es für manche Schüler:innen «eine Möglichkeit ist, ihren Lehrer:innen zu trotzen oder eine andere Meinung zu äussern», wenn sie sich pro-Franco positionieren. Ein Phänomen, das «im Teenageralter ziemlich verlockend» ist.

Vox und die PP nutzen diese Wut, um «einfache» Lösungen für komplexe Probleme anzubieten. So greifen sie diese Unzufriedenheit auf und lenken sie in Richtung einer revisionistischen Erzählung – ein Mechanismus, der in der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts wohlbekannt ist.

Erinnern, was der Franquismus wirklich war

Angesichts dieser Verzerrungen ist es wichtig, immer wieder an die Taten des Franco-Regimes zu erinnern. Das Regime stand von 1939 bis 1977 nicht für Ordnung, sondern für Terror. Es brachte keinen Wohlstand für die Menschen, sondern Elend für die Mehrheit – von Zensur über Folter, Konzentrationslager, politische Inhaftierungen, systematische Diskriminierung bis zu unzähligen Hinrichtungen. In einem Artikel für «Heritage, Memory and Conflict» spricht die Forscherin Laura Muñoz-Encinar von Hunderttausenden von Gefangenen in Lagern, von Zehntausenden von Verschwundenen. Immer noch existieren Massengräber – schreckliche Zeugnisse eines Staates, der seine eigenen Bürger:innen ermordet hat.

Insbesondere junge Menschen sind leichte Ziele für die aktuelle rechtsextreme Propaganda, da sie nur sehr wenig über die faschistische Unterdrückung wissen, unter der ihre Eltern und Grosseltern gelitten haben. Jugendliche, die diese Zeit idealisieren, wissen höchstwahrscheinlich nichts über die Gefängnisse Francos, die verfolgten Zivilist:innen, die Frauen, denen ihre Grundrechte vorenthalten wurden, die verbotenen Regionalsprachen und die Tausenden von Kindern, die ihren Familien entrissen wurden. Die Diktatur hinterliess ein verstümmeltes Spanien, das zum Schweigen gezwungen war. Diese aktuellen nostalgischen Tendenzen sind also keineswegs harmlos: Sie rehabilitieren das Grauen.

Rechte Parteien machen Positionen wieder salonfähig

In schwierigen Zeiten präsentiert sich der Faschismus immer als einfache Antwort auf komplexe Probleme – eine Strategie, die aktuell in verschiedenen Staaten erfolgreich ist. Es geht um Arbeitslosigkeit, hohe Lebenshaltungskosten, globale Unsicherheit durch Kriege und Konflikte und um das Misstrauen gegenüber Institutionen. In solchen Situationen gedeihen autoritäre Diskurse. Sündenböcke werden beschuldigt; fast immer sind dies marginalisierte Gruppen wie Einwanderer:innen, Ausländer:innen oder queere Menschen. Dabei wird immer auch eine imaginäre Vergangenheit, in der «alles besser war» verherrlicht.

Rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien setzen auf die Spaltung der Gesellschaft, ohne effektive Lösungen für die Probleme zu liefern. Haltungen und Ausdrücke aus Zeiten des Faschismus werden zunehmend salonfähig. Dabei spielt natürlich auch die Wahl von US-Präsident Donald Trump eine wichtige Rolle. Die österreichische Rechtsextremismusexpertin Natascha Strobl sagt es so: «Trumps Kulturkämpfe und auch die Machenschaften des ICE mit den Ausschaffungen dienen den Rechten in Europa dazu, ihre ‹Remigrations›-Fantasien weiter zu spinnen – im Sinne von ‹wenn sogar der amerikanische Präsident das macht, dann können wir das auch›.»

Um dem entgegenzuwirken, reicht es nicht aus, den Faschismus anzuprangern. Es ist notwendig, auf die Wut mit konkreten Lösungen zu reagieren. Investitionen in Bildung, soziale Institutionen, den gemeinnützigen Wohnungsbau und einen funktionierenden Service public sind dabei zentral. Und vor allem muss das historische Gedächtnis mit Überzeugung verteidigt werden, damit niemand mehr ein auf Gewalt basierendes Regime idealisieren kann.


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